CD Kritik Progressive Newsletter Nr.67 (12/2009)

Lalle Larsson - WeaveWorld
(46:26, Reingold Records, 2009)

Meine erste bewusste musikalische Begegnung mit dem schwedischen Tastenvirtuosen Lalle Larssen war auf dem niederländischen Symforce-Festival Ende September 2009 in Tilburg. Als musikalischer Begleiter der Bands Agents Of Mercy und Jonas Reingold's Karmakanic hatte er mich so begeistert, dass ich mir blind seine Soloscheibe "WeaveWorld" gekauft habe. Am CD-Stand war ich umso erstaunter, als ich dort einige CDs entdeckte, die auch zu meiner Sammlung gehören: Richard Hallebeek Project, Ominox und J.A.M. sowie die mir vom Cover bekannte Scheibe Electrocution. Bei allen wirkt natürlich Lalle Larsson mit, allerdings mit einem anderes geschriebenen Namen, nämlich Lale Larson. Ich weiß übrigens nicht warum. Jedenfalls sind diese CDs alle tief im Jazz- und Fusiongenre verhaftet, während die Musik von Electrocution schon mal als "Progressive Cartoon Death Metal" bezeichnet wird. Weiterhin gibt es von ihm ein außergewöhnliches Solowerk namens "Seven deadly pieces" mit kleinem Kammerorchester und E-Band, wo ebenfalls eine Mischung aus Death Metal and Chamber Prog geboten wird. Noch als letzte Hintergrundinformation der Hinweis, dass Larsson am Wiener "Amerikanischen Institut für Musik" Jazz und Harmonien studierte und sich intensiv mit den Werken von Frédéric Chopin und Johann Sebastian Bach auseinander gesetzt hat. Die Instrumentalscheibe mit fünf Tracks zwischen sieben und fünfzehn Minuten Laufzeit wurde überwiegend mit exzellenten Musikern der schwedisch-niederländischen Jazz- und Progszene eingespielt. Insofern hört man den niederländischen Gitarristen Richard Hallebeek, Flower Kings und Karmakanic Bassmann Jonas Reingold, einen zweiten Gitarristen namens Stefan Rosqvist und den Drummer Michael "Walle" Wahlgren. Bei knappen musikalischen Beschreibungen im Internet zu "WeaveWorld" findet man Worte wie "gefühlvolle Klanglandschaften aus dunkler symphonischer Klassik und romantischer Herzlichkeit eingebunden in einem Gerüst aus Heavy Metal". Das trifft zwar teilweise auf einige Klangreigen dieser Scheibe zu, lässt aber die progressiven und vor allem jazzigen bis fusiongemäßen Töne außen vor. Das wunderschöne akustische "Adagio" mit Piano, Bass und Gitarre ist über sieben Minuten allerdings genau in die romantische Klassik eingebunden, wobei Larsson es trotz des behutsamen Tempos schafft, seine Fähigkeiten zu zeigen. Das fast achtminütige "Dance of the dead" lebt von einigen harten und rockigen Tönen, sodass die geäußerte Nähe zu Heavy Metal spürbar erscheint. Für mich bewegt sich der Song mehr im Hard Rock und Fusiongenre, wobei sehr geschickt Rhythmuswechsel, verschiedene Stimmungen mit zum Teil experimentellen und schrägen Phasen dargeboten werden, die schon eine düstere Ausstrahlung besitzen. Im über siebenminütigen Eröffnungstrack "Marionette" bietet uns Larsson direkt seine kompositorische Vielfältigkeit, da er progressive Phasen mit jazzrockenden Elementen verbindet, um anschließend im Jazz zu landen. Das Erzeugen von Melodien, Rhythmus- und Stimmungswechseln wird hier groß geschrieben, wobei es auch schon mal richtig rocken darf. Sein Können an den Tasten weiß er schon im ersten Track zu zelebrieren. Der Neunminüter "Newborn awakening" zeugt von seiner großen klassischen Begabung, da er mit einprägsamen Pianoklängen die Komposition erleuchtet. Wunderschöne melancholische und romantische Klaviertöne erweckt Larsson zum Leben, wobei er immer wieder locker und lässig zwischen gefühlvoll-verträumt und virtuos-rasant intoniert. Begleitet wird er hier lediglich durch das ausgezeichnete akustische Bassspiel von Jonas Reingold. Mit dem fast 15minütigen Titeltrack wird diese außergewöhnliche CD beendet, wobei Larsson auch hier von der Dramaturgie der Songreihenfolge und Kompositionsgüte Fingerspitzengefühl beweist. Bei dieser Schlussnummer kann ich schon gar nicht mehr beim Fluss der Töne zwischen Prog, Jazz, Fusion und Klassik unterscheiden, da sich alles in verspielten Wellen miteinander verbindet. Die Behandlung von Orgel und Piano befindet sich mal wieder auf "State of the Art" Niveau und verschmilzt nahtlos mit den Gitarren-, Bass- und Schlagzeugklängen. Es wird auch schon mal etwas sperrig und anstrengend musiziert, wobei die melodischen Klangräume zur rechten Zeit für gelungene Stimmungswechsel sorgen. Nachdem ich diese Zeilen verfasst habe, ist "WeaveWorld" gut und gerne schon 20mal zu meinen Ohren vorgedrungen und die Faszination des Werkes lässt nicht nach. Die Mischung der beschriebenen Stilrichtungen sowie die Vielfältigkeit der musikalischen Stimmungen, die einen auch schon mal hinsichtlich der Komplexität der Töne richtig fordern, sind hier etwas ganz besonderes. Ich könnte fast die höchste Punktzahl vergeben!

Wolfram Ehrhardt



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