CD Kritik Progressive Newsletter Nr.67 (12/2009)
Kollektiv - Kollektiv
(69:06, Malesch Records / Long Hair, 1973)
Kollektiv spielten 1973 ihr erstes und einziges Album ein. Klaus Dapper (fl, sax), Jürgen Havix (g, Zither), Jürgen Karpenkiel (b) und Waldemar Karpenkiel (dr) samt einiger Gäste in einigen Songs an Violine, Gitarre, Bass und Piano nahmen die 4 Songs im Windrose Studio von Conny Plank in Hamburg auf. Der improvisativ-epische Jazzrock erinnert an Soft Machine und Nucleus, weniger an Weather Report und Return To Forever. Einige Songs sind funky, andere komplex. Alles ist sehr virtuos gespielt, die Musiker machen ihren Kompositionen als Handwerker und inspirierte Solisten alle Ehre. Mit dem über 11 Minuten langen "Rambo Zambo" startet die Band enorm energisch, immer vertrackter und wilder wird die solistische Ausarbeitung, bis die Band nach dem psychedelisch wüsten Höhepunkt wieder etwas herunterfährt und zu einem weiteren Gitarrensolo, schließlich einem (elektrischen?) Flötensolo ansetzt. Der Rhythmus ist allerliebst, schön komplex und druckvoll, der Schlagzeuger "arbeitet", nichts ist leicht oder schlicht, hier stand "Energie" als Motto in den Köpfen der Musiker. "Baldrian" ist eine intime Jazzrock-Ballade, tief melancholisch, verträumt und doch nicht ohne abgedrehte, schräge Parts. Mit dem "Försterlied" setzt die Band zu freejazzigem Humor an, hübsche, kurze, nicht unwesentliche, bös-nette Idee. Und dann folgt das dreiteilige, 20 Minuten lange "Gageg". Den ausführlichen Auftakt macht ein grandioser, vom Bass geprägter Part, der sich viel Zeit nimmt und den Zuhörer mit zartem Gebläse unmerkbar in den Bann zieht. Die Komposition nimmt erheblich an Energie zu und wird zu einem wahren Jazzrock-Monster mit Tobsuchtspartien. Genau mein Ding. Und weil das nicht reicht, setzt das Label Long Hair 4 Bonustracks nach, in deren ersten die Violine solistisch das Sagen hat, die drei längeren bis langen Songs heißen "Pull Moll", "Pap-Jack" und "Rozz-Pop" - allesamt improvisative Jazzrocker, im Namen und im musikalischen Inhalt, die mehr in Richtung Fusion gehen als die wilden LP-Tracks, der elektrischen Gitarre des Gastes Axel Zinowski viel Freiraum zur solistischen Entfaltung bieten und kein Quantum an inspirierter und phantastischer Qualität nachlassen. Wie bei den anderen Veröffentlichungen des Reissue-Labels Malesch Records / Long Hair ist im Booklet die Geschichte zu Band und Platte in englischer und deutscher Sprache nacherzählt, sind Informationen und Bilder in der im originalen Layout wieder veröffentlichten Platte auf CD zu finden. Zwei weitere CDs mit Liveaufnahmen sind beim gleichen Label erschienen. Unbedingte Empfehlung für Jazzrock-Freaks.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2009