CD Kritik Progressive Newsletter Nr.67 (12/2009)
Holdsworth Pasqua Haslip Wackerman - Blues for Tony
(52:20 + 38:06, Moonjune Records, 2009)
Wenn hier jetzt aufgezählt würde, was die Mitarbeiter dieses Unternehmens schon auf dem Kerbholz haben, wäre jeder Interessent bereits sanft entschlafen, bevor es im Anschluss zu der Musik auf dieser 2CD käme. Darum kurz: alle Namen sind für ihre qualitative Integrität bekannt und berühmt, mancher mehr, etwa Allan Holdsworth, der nicht nur Bier braut und Fahrrad fährt, sondern schon so ziemlich überall im Line-Up war (gut, nicht, aber fast) und den lebende wie bereits nicht mehr lebende Gitarristen und Musiker wie Fanscharen für einen Gitarrenhandwerksgiganten halten, was er schlechthin ist. Und was er hier wieder einmal beweist. Das Quartett hat sich ein paar illustre Kompositionen vorgenommen, selbige improvisativ zu quasi spiritueller Ekstase geführt, exzellente Musikspielkunst geleistet und damit für wohlige Schauer gesorgt. Dabei standen sie ganz ruhig und nachdenklich agierend, innig versunken in ihre Arbeit, ihre Kunst auf der Bühne, ganz ohne Stress, ohne Angebertum und Technikmätzchen, mit Feingefühl, Liebe zu Intensität und farbenfroher Spiellust. "Blues For Tony" ist zu hören, eine Bandkomposition, Tony Newmans "Red alert", Alan Pasquas "Protocosmos", das als Mahavishnu-Sound-A-Like durchgeht, etliche Holdsworth-Stücke, die hier beinahe besser klingen als je zuvor (auf Konserve) und weitere delikate Songs. Es geht um virtuosen Electric Jazz, technischen, abstrakten, kraftvollen, saftigen, stets sehr inspiriert gespielten und improvisativ ausgelebten Jazzrock, um Fusion, um jazztonalen Schöngeist im elektrischen Rockkleid, um disharmonischen Reigen, der in höherer Auflösung für begeisterte Verzückung sorgt. Jimmy Haslip (b), Alan Pasqua (key), Chad Wackerman (dr) und Allan Holdsworth (g) agieren sehr einfühlsam, sind in ihren ausgiebigen Soli bemerkenswert elegant und fantasievoll, und gewiss in allem versiert, routiniert, stilsicher, ganz gebildetes Quartett gestandener Musiker, das nichts beweisen muss oder will und vom "Aufeinandertreffen geschichtsträchtiger Figuren" gewiss nichts hören will, nichts universitäres an sich hat und herzhaft und verspielt rockt und swingt. Alle arbeiten gleichberechtigt, und gewiss sind einige dann doch gleicher. So Holdsworth mit seinem "singenden" Gitarrenton, seinen gedehnten Tönen und virtuosen Schlenkern, abstrakten Läufen und stets nach ihm und nur nach ihm klingenden Sounds. Seine Handschrift adelt dieses Bandpaket, ohne die Band hingegen wäre er hier nichts, oder kaum etwas. Erst der Gruppenklang, das Ineinanderaufgehen der vier Instrumente in ihren unterschiedlichen Funktionen und Klängen macht die Musik zu ihrem Erlebnis. Keine Frage, die illustre Band ist erstklassig mit Phantasie, Kunst und Können ausgestattet und macht aus ihrem innigen Spiel übrigens keine große Sache. Die überlässt sie eurer Phantasie, eurer Liebe zur Musik. Für Süchtige.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2009