CD Kritik Progressive Newsletter Nr.67 (12/2009)

Alquin - Marks
(42:56, Esoteric Recordings, 1972)
Alquin - The Mountain Queen
(42:56, Esoteric Recordings, 1973)

Auch beim renommierten Reissue Label Esoteric Recordings schaut man gerne mal über die britischen Landesgrenzen hinaus und hat mit Alquin und den später vorgestellten Earth & Fire gleich zwei Klassiker des 70er Progressive Rock Made in Holland neu ausgegraben. Alquin gehörten sicherlich zu den untypischsten Vertretern aus ihrer Heimat, denn im Gegensatz zu Bands wie z.B. Ekseption, Focus oder Trace setzten sie nicht nur weit weniger auf Klassik Elemente, sondern deren allgemeiner musikalischer Ansatz war weit mehr im bläserbetonten Jazz Rock, wie ebenso im britischen Progressive Rock bzw. der Canterbury Szene zu finden. Alquin klangen damit insgesamt internationaler, keineswegs sofort als holländische Band erkennbar. Dass die Anfänge jedoch noch von einer gewissen musikalischen Suche geprägt waren, dies dokumentiert das solide 72er Debüt "Marks". Hier versuchen Alquin noch so unterschiedliche Einflüsse wie Canterbury beeinflussten Jazz Rock (u.a. mit recht viel Saxophon bzw. Flötenpassagen) mit Progressive / Psychedelic Rock, sowie Folk bzw. kleineren Latin Ansätzen zu verbinden. Das Endresultat offenbart zwar einige ansprechende, durchaus viel versprechende Ansätze, dennoch klingt das Material noch recht uneinheitlich, nach der Suche der eigenen Richtung bzw. Identität. Spielerisch braucht sich die weitgehend instrumental agierende Band keineswegs vor der internationalen Konkurrenz zu verstecken, selbst experimentelle Strukturen bekommen ihren Platz. Die Band gibt sich dabei nicht immer sofort zugänglich, sogar einigermaßen experimentierfreudig, was jedoch leider in einem etwas zu uneinheitlichen Gesamtbild resultiert. Im zweiten Teil des Albums sind es dann eher songdienliche, unspannende Strukturen, die vorherrschen. Dennoch: gerade in den entspannten Passagen lässt sich erkennen, dass noch mehr in dieser Formation schlummert, was sie letztendlich mit dem Nachfolger beweisen konnten. Ein gutes, wenn auch nicht überragendes Debüt. Wesentlich fokussierter, inhaltlich geschlossener, aber ebenso um einiges druckvoller geht es auf dem Nachfolger "The Mountain Queen" zu Werke. Alquin haben die unterschiedlichen Stilelemente zu einem abgestimmten Miteinander vereint und konnten sich vor allem kompositorisch recht deutlich steigern. Temporeiche Rhythmen, sowie Hammond und wohl dosierte Flöten- bzw. Holzbläsereinsätze funktionieren sehr gut zusammen, ebenso bekommt die Gitarre wesentlich mehr Raum zur freien Entfaltung. Gerade im instrumentalen Bereich klingt vieles zwingender, stimmiger, in einigen Teilen sogar jazz-rockig euphorisch begeisternd. Vor allen in den ausführlichen Longtracks wie z.B. dem 13-minütigen Opener "The dance", sowie dem knapp 15-minütigen Titelsong überzeugen die Holländer mit spielerischer und kompositorischer Klasse, gipfeln die vielen instrumentalen, recht offen wirkenden Passagen immer wieder in fulminanten Exkursionen der absolut überzeugenden Art. Ein wieder vorbildliches Booklet mit reichlich Informationen, sowie ein Bonustitel beim Debüt runden diese Neuauflagen gelungen ab. Übrigens sind Alquin seit einigen Jahren wieder aktiv und konnten ebenso vor einigen Jahren mit ihrem neuen Material in Ansätzen an die Vergangenheit anknüpfen.

Kristian Selm



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