CD Kritik Progressive Newsletter Nr.67 (12/2009)

Crisálida - Raco
(59:12, Privatpressung, 2009)

Die kleine, aber feine chilenische Progszene gehört sicherlich zu den vielseitigsten in Südamerika, kommen von dort für den interessierten Insider einige begeisternde Acts der anspruchsvollen bzw. härteren Spielart, wie z.B. in den letzten Jahren Akineton Rétard, Matraz oder Ergo Sum. Crisálida könnten in diese Phalanx vordringen, denn "Raco" vereint sehr geschickt harte Riffs und moderne Sounds, die entfernt an Porcupine Tree erinnern, mit sinfonischer Eleganz. Gleichzeitig hat die Band ein feines Händchen für stimmungsvolle Kompositionen, die eben nicht nach dem platten Einheitsschema funktionieren, vielmehr Anspruch, Atmosphäre, Zugänglichkeit, sowie den richtigen Kick gekonnt vereinen. Und zu guter letzt verfügt man mit Cinthia Santibáñez über eine formidable, stimmgewaltige Sängerin, die, sofern man rein spanischem Gesang zugeneigt ist, als weiteres I-Tüpfelchen begeistert. Trotz Songs, die sich gelegentlich jenseits der 10 Minuten bewegen, setzen Crisálida weit weniger auf wechselnde Breaks und brachiale Instrumentalgewitter, sondern neben der fast ständig präsenten Stimme sind es in erster Linie Dramatik und gut austarierte Instrumentalparts, sowie eine gesunde Härte, die die Chilenen bevorzugen. Kernige Riffs und elegische Soli wechseln sich mit interessanten Klangexperimenten ab, besonders die eindrückliche Stimmungstiefe des Songmaterials überzeugt. Dazwischen findet sich jedoch ebenso genügend verfeinerte Melodik und fast schon neo-progressive Verspieltheit als passende Ergänzung. Einmal mehr bewahrheitet es sich, mehr auf Qualität, statt auf Quantität zu setzen. In diesem Sinne setzen uns die progmusikalischen Kollegen aus Südamerika den Maßstab.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2009