CD Kritik Progressive Newsletter Nr.67 (12/2009)
Wladek - Poisoners of consciousness
(75:40, Syngate, 2009)
Wladek - Time merchants
(75:53, Syngate, 2009/1995)
Wladek ist ein weiterer neuer Name aus der mittlerweile doch recht starken polnischen Szene. Bei Wladeks Nachnamen klingelt es dann bei mir: Wladyslaw "Wladek" Gudonis Komendarek. Da fällt mir spontan eine 70er Progressiv-Rock Formation namens Exodus ein, deren Keyboarder mit riesiger Wuschelfrisur (man merkt, ich habe die Exodus-DVD gesehen) Wladek Komendarek hieß. Und um genau diesen Musiker handelt es sich. Inwieweit er sich frisurtechnisch verändert hat, lässt sich nur erahnen, musikalisch jedenfalls ist er neue Wege gegangen. Wobei ich mir natürlich sofort die Frage stelle, ob man seine Vergangenheit als Tastenmann einer Prog-Band auch auf den Elektronik-Alben heraushören kann. Ich denke, ansatzweise kann man es schon erkennen. Beispielsweise auf dem elfminütigen "Banana Republic", wo er ein schönes, flinkes Synthi-Solo einbringt. Was diesen Song allerdings eindeutig wieder runterzieht, ist der einfallslose Singsang, der hier gar nicht passt. Das darauffolgende "Night at the Northern Lights" kommt eher romantisch daher und erinnert mich ein wenig an Vangelis. Kernsong des Albums ist der 20-minütige Opener "35 Atomic Dump", der beweist, dass eine Klassifizierung des musikalischen Stiles von Herrn Komendarek gar nicht so einfach ist. Mal symphonisch, mal experimentell, mal sphärisch, mal eine Art Sci-Fi-Soundtrack - das ist wahrlich kein einfacher Stoff. Aber ist klingt eben interessant. Auf "Cave of the Sages" kommt wieder recht unsäglicher Gesang hinzu, was mir das Stück ziemlich verhagelt. Insgesamt ergeben die 75 Minuten Musik ein etwas diffuses Bild, Wladek bedient sich sehr unterschiedlicher Ausrichtungen, neben partiellen Durchhänger-Phasen hat es ausgesprochen interessante Kompositionen. Insofern fällt eine unbedingte Empfehlung des Albums schwer, doch auf die vorhandenen Qualitäten sollte durchaus hingewiesen werden. Übrigens wurde dieses Album live eingespielt, Applaus wurde jedoch rausgeschnitten. Eigentlich hätte ich gedacht, dass "Time merchants" das aktuellere Wladek-Album ist, da es in meinen Ohren etwas ausgereifter zu klingen scheint. Aber zu meiner Überraschung stammen die Aufnahmen hierzu aus dem Jahre 1995. Gleich zu Beginn denke ich, ich hätte die "Poisoners of consciousness" aufgelegt, da mir dieses seltsame Geräusch, das wie gesampeltes Möwengeschrei klingt, genau von diesem Album her bekannt vorkam. Ein Blick auf den Titel erklärt es: "35 Atomic Dump Part 2" heißt der fast 15-minütige Opener, der gleich zu einem absoluten Highlight des Albums wird. Sehr stimmungsvolles, teils mystisches, teils sehr symphonisches Klanggut - mit dieser Musik trifft der Pole mein EM-Geschmackszentrum sehr genau. Allerdings bleibt angesichts des Titels ein Fragezeichen zurück, denn warum sollte sich Teil 2 auf dem vorher produzierten Album befinden? Auch im Internet finde ich dazu keine Antwort, also belasse ich es dabei. Auf "Bermudian Trapezoid", immerhin knapp 18 Minuten lang, wird unter anderem eine regelrechte Electronic-Percussion Schlacht abgeliefert, die mich in der Machart ein wenig an die wilde Passage auf dem Yes-Klassiker "Ritual" erinnert, wo Wakeman sich mit White duelliert. Nur halt in anders, sprich mit elektronischen Mitteln. Nicht unflott, was übrigens für den gesamten Titel gilt. Auffällig ist auch seine Vorliebe für Sprachsequenzen und collageartige Parts. Mein Gesamteindruck: dies ist gute symphonische Elektronikmusik, irgendwo zwischen Akikaze, Vangelis, Von Haulshoven und Computerchemist. Logisch, dass ich als Einstieg das sehr vielfältige "Time merchants" Album empfehle. Wenn man dann noch weiter forschen will, wird man feststellen, dass Herr Komendarek seit 1985 schon unzählige Soloalben veröffentlicht hat. Als Einflüsse nennt er übrigens Beatles, Rolling Stones, Manfred Mann, Hollies, Shadows, Pink Floyd, Deep Purple, King Crimson, Emerson, Lake & Palmer, Jimmy Smith, Refugee, Peter Gabriel, Yes, Kinks, Genesis, Tangerine Dream, Supertramp, Ten Years After und Jan Hammer. Das sollte eigentlich reichen. Sehr interessantes Album, das Neugierde auf neue Alben weckt.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2009