CD Kritik Progressive Newsletter Nr.67 (12/2009)

Acanthe - Someone somewhere
(57:25, Musea, 2009)

Beim Surfen durch die progressiv-musikalische Welt des Internets auf den MySpace-Seiten kann man doch immer mal wieder einige unbekannte Perlen entdecken. So ist es mir im April 2009 mit der französischen Progband Acanthe aus der Alpenregion um die Stadt Grenoble gegangen Die dem melodischen Psychedelic-Prog zugewandte Band existiert leider schon lange nicht mehr, aber ihr ehemaliger musikalischer Kopf Frédéric Leoz versucht, ihre Musik aus der Zeit zwischen 1974 und 1977 der Welt im Jahre 2009 wieder in Erinnerung zu bringen. Da es einiges hörenswertes Material der Band aus dieser Zeit gibt, hat Leoz nach Zusammenstellung einer CD-R mit gut 58 Minuten Laufzeit seit September 2009 einen offiziellen Vertrieb mit remasterten Aufnahmen über das französische Label Musea gefunden (nun natürlich als professionelle Pressung). "Zum Glück", ist da mein tiefstes Empfinden, denn diese altmodischen Klänge bereichern mich seit Erhalt der CD mehr als viele neue Veröffentlichungen der letzten Monate. Die musikalischen Einflüsse von Acanthe durch Bands wie z.B. Pink Floyd, Ange oder Genesis kann man ohne weiteres um die Bands Pulsar, The Doors und auch Procol Harum erweitern. Außerdem höre ich auch schon mal etwas Ähnlichkeit zu den von mir sehr verehrten kanadischen Progrockern Jelly Fiche. Originell und auch gelungen ist für mich die Darbietung von drei der neun Tracks in französischsprachigen bzw. vier in englischsprachigen Gesang. Das Instrumental "Touch the sun" bietet übrigens zusätzlich abwechslungsreiche orientalische und folkloristische Elemente. Der bei Franzosen schon mal bei den englischen Lauten ertönende gewöhnungsbedürftige Akzent wird von Frédéric Leoz, der auch die Keyboards bedient und Gitarre spielt, nicht so vordergründig erzeugt. Trotzdem wirken die drei Songs mit französischem Gesang authentischer auf mich. Auch seine angenehme Stimme mit einem gewissen soften Timbre lassen den Gesang stimmig auf mich wirken. Die meistens atmosphärischen Kompositionen, die durch das oftmals einem Robin Trower zu Procol Harum Zeiten ähnlichem Gitarrenspiel von Gitarrist Michel Gervasoni zuweilen auch härtere Anwandlungen bekommen, werden überwiegend von getragenen Keyboardsounds untermalt. Außerdem weiß Keyboarder Leoz immer mal wieder Orgeltöne zu erzeugen, die mich an die Tastenläufe eines Ray Manzarek von The Doors oder auch schon mal an Camel erinnern. Jedenfalls lassen die vielseitigen Keyboardsounds sowie das abwechslungsreiche Gitarrenspiel, mit Hang zu Melodiösität und Melancholie, immer wieder Freude bei mir aufkommen. Spannungsverlust ist für mich in der Musik auch nach zigfachen Hördurchläufen nicht zu vernehmen, obwohl keine außergewöhnlichen Spielereien in Szene gesetzt werden. Dies ist wohl trotz der hauptsächlich geradlinigen Melodien mit der geschickten Inszenierung von behutsam wechselnden Klangbögen, groovigen Rhythmen und der gefühlvollen Darbietung der Solo-Instrumente zu erklären. Irgendwie treffen mich die neun Kompositionen genau ins Zentrum meines wohligen Psychedelic-Retroprog Zentrums. Abschließend möchte ich auch noch auf das ansprechende Klangbild der alten Aufnahmen hinweisen. Obwohl es sich hier um historische Bandaufnahmen der 70er Jahre handelt, hat es Frédéric Leoz geschafft, zwischen 2005 und 2008 die Songs so gut zu remixen, dass ich auch soundtechnisch Spaß habe, der Musik von Acanthe zu folgen. Klangauszüge findet ihr natürlich auf der MySpace-Seite von Acanthe. Diese Seite und die CD ist übrigens dem im Jahre 1980 verstorbenen Bassisten Christian Gendry gewidmet.

Wolfram Ehrhardt



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