CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)
Leprous - Tall poppy syndrome
(63:04, Sensory, 2009)
Aus Norwegen ist man aus dem Metalbereich ja einiges an Extremen gewohnt, doch kann man die Power und Metal Attitüde durchaus gekonnt ebenso in progressives Fahrwasser leiten. Leprous sind sicherlich keine Kinder von Traurigkeit und beherzigen ebenfalls eine solide Grundhärte, doch können sie ihre Herzen durchaus für Melodien und einen gehörigen Schuss an sinfonischer Atmosphäre und dunklem Tiefgang erwärmen. Oftmals liest man in anderen Kritiken den Vergleich zu Opeth, was von der Grundeinstellung nicht ganz so falsch ist, denn auch Leprous experimentieren gerne mit verschiedensten Genres, seien es nun gesprochene, fast geflüsterte Worte ("Not even a name"), die obligatorische, völlig unpeinliche Heavy-Ballade ("Fate") oder auch ganz leichter Lounge-Swing ("Phantom pain"). Doch verlieren sie dabei nie ihre Prog-Metallische Grundausrichtung mit losgaloppierender Rhythmik und besonders die hingebungsvolle Stimmungstiefe im Wechsel aus akustischen und elektrischen Passagen aus den Augen, sondern betrachten andere Einflüsse nur als weitere Ergänzung des eigenen Sounds. Es darf ebenso mal stimmlich expressiv losgegrummelt werden, alles jedoch in einem Rahmen, den der Normalhörer noch goutieren kann, denn meist weilt der Gesang in angenehmer Tonlage. Ebenfalls im Rahmen bleibt das Muskelspiel der Instrumentalisten, die ihre Soloeskapaden keineswegs übertreiben. Auch wenn man Leprous vielleicht etwas zu oberflächlich in die Prog Metal Schublade stopfen möchte, so ist ihre nordische Version weit weniger technisch, weitaus melancholischer, vom Ansatz her auf ganz eigene Weise eben typisch skandinavisch. Das Genre Prog Metal ist eben doch nicht ganz tot, sofern es eben noch Bands gibt, die mal etwas mehr die bereits tief ausgetrampelten Pfade verlassen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2009