CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)
Copernicus - Disappearance
(73:04, Nevermore / Moonjune Records, 2009)
Copernicus ist laut Cover verantwortlich für "Poetry, Lead Vocals, Keyboards". Weitere Zitate: "all the vocals of Copernicus created by Copernicus". Wer hätte das gedacht?! Und: "Copernicus is a conceptual creation of Joseph Smalkowski". Und bevor ich hier noch einen Fehler begehe, wurde ich per Rundmail auf folgende Details aufmerksam gemacht: es handelt sich nicht um eine Veröffentlichung von MoonJune Records, sondern um eine Zusammenarbeit von MoonJune Records und Nevermore. Gut, auf so etwas darf man schon mal aufmerksam machen, das würde bei Meisterwerken der Rockgeschichte vermutlich auch wirklich Sinn machen. Außerdem wird betont, dass das Album nicht "Disappearance", sondern "disappearance" heißt. Ach was. Seitdem höre ich das Werk natürlich mit ganz anderen Ohren und ich bin heilfroh, dass ich die Welt nicht mit der fatalen Fehlinformation eines neuen Copernicus-Albums namens "Disappearance" belästigt habe. Und - ist es nun ein Meisterwerk? Antwort: nein. Oder vielmehr: Nein. Oder noch deutlicher: NEIN! Der Herr Copernicus ist - wen wundert's - überaus präsent. Dies weniger als Sänger, sondern vielmehr mit einer recht seltsamen Art von Sprechgesang. Dramatisierend, nölend, manchmal klingt es gar ein wenig angesäuselt faselnd - das ist auf Dauer schon recht schwer zu ertragen. Bei derartigem Ansatz umso erstaunlicher, dass die Songs recht lang geraten sind, im abschließenden "revolution!!" sogar satte 21 Minuten. Sein Kompagnon auf dieser Scheibe ist Pierce Turner, der als Musical Director geführt wird, der auch singt und an Hammond, Piano und Perkussion agiert. Hinzu kommen weitere Gastmusiker an Gitarre, Geige, Schlagzeug, Gebläse. Und ich muss zugeben, dass dann doch so einige Arrangements, gerade wenn leicht klassischer Ansatz durch Viola und Violine auftaucht, durchaus reizvoll sind. Anderes ist bluesig, jazzig oder avantgardistisch - immer aber durchsetzt von den meist recht aufdringlich vorgetragenen Erzählereien des Herrn Copernicus. Seltsam, das Ganze. Eine Art Lesung mit Musik. Es strengt mich wirklich an, hier bis zum bitteren Ende durchzuhalten, denn gerade der Abschlusstrack ist doch arg in die Länge gezogen worden. Doch eigenartigerweise kann ich nicht leugnen, dass dieses Werk doch eine gewisse Faszination ausübt. Doch oft hören werde ich dieses Album als Ganzes wohl nicht mehr.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2009