CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)

Viima - Kaden kuun sirpit
(44:59, Privatpressung, 2009)

Die seit 1999 in wechselnden Besetzungen bestehenden finnischen Retroprogger bringen mit erneuter Line Up-Änderung im März 2009 ihr Nachfolgealbum "Kahden kuun sirpit" heraus, wobei sie wieder in Landessprache singen. Die beiden Gründungsmitglieder an den Gitarren (Mikko Ussi-Oukari) und Keyboards (Kimmo Lähteenmäki) haben drei neue Leute um sich geschart, wozu nun auch ein männlicher Sänger gehört, der ebenfalls Flöte und Sopransaxophon spielt. Damit ist das Renaissance-Musikflair des Debütwerkes "Ajatuksia maailman laidalta " durch den Ausstieg von Sängerin Pävi Kylmänen nicht mehr zu hören. Schon auf dem hörenswerten Colossus / Musea-Sampler "Dante's Inferno - The divine comedy, Part 1" waren Viima mit ihrem Track ohne weibliche Stimme vertreten. Allerdings weiß die sonore Stimme mit entspannten Gesangslauten von Hannu Hiltula auch zu gefallen, wobei die finnischen Töne gewöhnungsbedürftig sind und je nach Betonung nicht jedermanns Sache sein dürften. Da die vier Songs mit einem Longtrack von 23 Minuten allerdings durch häufige Instrumentalphasen geprägt sind, sollte man sich mit dem Gesang arrangieren können. Musikalisch erzeugen die Finnen, wie schon auf ihrem Erstling, viele melodiöse und ruhige Retroprogtöne, die häufig von alten Keyboardsounds (u.a. Mellotron, Rhodespiano, Hammondorgel, Analoge Synthesizer) und einem überwiegend gefühlsbetonten Gitarrenspiel der Schule à la Steve Hackett oder Andrew Latimer getragen werden. Auf dem Titelstück dringen auch Gitarrenlaute im Stil eines David Gilmour durch. Die früheren Folktöne sind fast ganz gewichen und es werden nur wenige folk- und jazzorientierte Sequenzen geboten Insgesamt erscheinen die Kompositionen in einem entspannt-emotionalen und schöngeistigen Spektrum, wobei eine gewisse Melancholie entsprechend des nordeuropäischen Kulturraumes ebenfalls durchdringt. Es werden Melodiebögen gesponnen, die sich bei häufigerem Hören immer tiefer in die Erinnerungsbahnen einnisten, wobei die musikalische Darbietung tief in den 70er Jahren verwurzelt ist. Bei allem Melodiefluss und gekonnter instrumentaler Behandlung fehlt der Scheibe schon mal ein richtiges Überraschungsmoment oder auch eruptivere Passagen. Trotzdem bereitet sie mir insgesamt Hörspaß und könnte von Fans der alten Genesis oder Camel ebenfalls gemocht werden, wenn sie Toleranz zum finnischen Gesang aufbringen mögen.

Wolfram Ehrhardt



© Progressive Newsletter 2009