CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)

Vecteur K - La peur du désert
(64:46, Unicorn Digital, 2009)

Das kleine aber feine kanadische Label Unicorn Digital hat im Mai 2009 mit der ersten CD von Vecteur K mal wieder eine Neuerscheinung aus dem eigenen nationalen Lager veröffentlicht. Die 2003 in Montreal von Sänger, Rhythmusgitarrist und Mastermind Marc-André Noël gegründete Band greift immerhin gesangstechnisch den Geist der 70er Jahre Quebec-Szene auf, da in beeindruckendem chansonesk-rockigem Französisch gesungen wird. Und ihr Leader trägt auf sieben von acht mit Gesang ausgestatteten Songs auch wesentlich zur besonderen Güte ihres Debütalbums bei. Hier wird zu meiner Freude nicht so übertrieben pathetisch und theatralisch gesungen wie bei Ange mit Christian Décamps, sondern mehr in einer klaren, kräftigen und variationsreichen Art, wie mir zum Beispiel ebenfalls der Gesang von Jelly Fiche-Sänger Syd zusagt Musikalisch sind auf den 11 Tracks mit drei Instrumentalnummern ansonsten keine großen Ähnlichkeiten zur Musik der früheren Quebec-Szene zu hören, sodass man so gut wie keine Retrosounds auf den 65 Minuten vorfindet. Das Besondere der Kompositionen auf "La peur du désert" ist ein geschickter Mix aus gemäßigt-atmosphärischen Klangreigen mit leisen-gefühlvollen Melodien, die dann immer wieder durch eruptiv-rockende Rhythmen mit raffinierten Tempowechseln bereichert werden. Die Melodien sind nicht von großer Komplexität geprägt, sondern gehören mehr zu den leichter zu verdauenden Tonreigen, die allerdings niemals zu glatt oder vorhersehbar erscheinen. Die fünf Musiker wissen den Tracks durch ihre geschickte und abwechslungsreiche Instrumentenbehandlung sowie der unterschiedlichsten Kompositionsstimmungen von dramatisch über fröhlich bis verträumt genügend Würze und Magie zu verleihen. Neben dem charismatischen Gesang von Marc-André Noël begeistert mich vor allem das abwechslungsreiche Spiel von Leadgitarrist Marc-Antoine Sauvé. Da er erfolgreich ein Studium der Jazz- und Popgitarre abgeschlossen hat, verwundert es nicht, dass er sehr gefühlvoll und virtuos die Saiten behandelt, die spielerisch sphärische, rockige, jazzige und auch bluesige Klangwolken erzeugen. Etwas schade empfinde ich das zurückhaltende Tastenspiel von Keyboarder Jean-Francois Bernard, den man zwar schon mal an Klavier und Orgel hört, der aber das Klangbild der Kanadier auf der nächsten Scheibe unbedingt mehr bereichern sollte Auf "La peur du désert" hört man keine spektakuläre oder innovative Progmusik, sondern überwiegend gefühlvoll-atmosphärische, hardrockende bis poppige Kompositionen, die zuweilen jazzig-bluesige Schattierungen aufweisen. Mir bereitet die Scheibe große Freude, die in den unterschiedlichsten Lebenssituationen gehört werden möchte. Klangauszüge findet ihr bei MySpace und bei Unicorn Digital.

Wolfram Ehrhardt



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