CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)
Sunchild - The invisible line
(69:33, Caerllysi Music, 2009)
Auf den ersten Eindruck wirkt "The invisible line" unscheinbar, zu viele typische Merkmale sind zu hören, wie im aktuellen Prog üblich. Die Instrumentierung, die komplexen Arrangements, lange Songstrukturen, die nicht sofort ihre Besonderheit offenbaren, der zwar kompliziert aufgebaute, differenziert dynamische Rhythmusaufbau, der dennoch Groove hat und den Kopf zum nicken, die Beine zum wippen verführt, hier eine bluesige Struktur, da ein Jazz-Solo, eine Trompete, ein Saxophon, ein Keyboard-Vibraphon, elegisches Gitarrensolo - der "Standard" im Progressive Rock ist so hoch, dass zwar die ganz ausgeflippten Bands und Platten ohne Sorge sofort alles überstrahlen und ihre Qualität offenbaren, dass die ganze Szene sich danach verbiegt, aber die besseren Alben, die keine Extravaganzen fahren, nicht Überknall, nicht sofortiger Rausch sind, dennoch aber nicht nur anspruchsvoll und ansprechend, sondern darüber hinaus überraschend und einfallsreich, verblüffend komponiert und aufgebaut sind - nun die brauchen die Geduld der Hörer, das mehrfache Hören, Zuhören, bis die Vitamine sich öffnen und ihre Botschaften übermitteln. Genau so ein Album ist "The invisible line". Das kurze Intro macht aufmerksam, die sechs Minuten des ersten Parts des Titeltracks brauchen länger, dann wird der Sound magisch. Es gibt auch Hänger auf der CD, etwa der mittelmäßige Popsong "Fading light", einige zu hübsche, süßliche Gesangsparts, der Refrain des zweiten Teils des Titeltracks ganz zum Schluss der CD, hier und dort etwas lang wirkende Instrumentalexkursionen, die nicht neu zu sein scheinen, und schließlich doch überraschen. Sunchild ist eines der Projekte von Antony Kalugin. Hoggwash und Karfagen sind weitere. Daneben ist er unter eigenem Namen solo aktiv. Kalugin arbeitet professionell und hat die Klangsprache des modernen Progressive Rock technisch und handwerklich perfektioniert. Wer sein Interesse auf nur die außergewöhnlichen Alben richtet, kann die Projekte bei MySpace durchhören und sich einen weiteren Eindruck machen. Fans moderner progressiver Rockmusik dürfen sich durch das 70-minütige "The invisible line" mit seinen längeren Songs und zwei Longtracks angesprochen fühlen.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2009