CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)

Boris Savoldelli & Elliott Sharp - Protoplasmic
(49:28, Moonjune Records, 2009)

Da bekommt man ungefragt vom Plattenlabel Promo-CDs mit der Bitte um eine Besprechung zugesandt. Zum wiederholten Male. Das ist ja so weit auch sehr rührig. Aber wie kann man solch ein Album besprechen, ohne dem Label in den Rücken zu fallen? Fast zwangsläufig wird dies zur Negativ-Werbung, denn wie kann man Derartiges ernsthaft anpreisen? Für mich hat das in etwa den gleichen Unterhaltungswert, als ob ich 50 Probanden nacheinander beim jeweils 1-minütigen Zähneputzen inklusive Gurgeln zuhören würde. Das ist zugegebenermaßen eine ziemlich sinnlose Verschwendung von knapp einer Stunde Lebenszeit. Zumindest für mich. Boris Savoldelli heißt eine Hälfte dieses Duos. Er ist für "vocals" und electronics zuständig. Das Wörtchen "vocals" sollte man allerdings mit Vorsicht genießen, hier geht es - dem musikalischen Gesamtbild angepasst - eher um irgendein Gejaule oder Gegurgel oder Sonstwas. Sein Partner ist Elliott Sharp, seines Zeichens Gitarrist, Saxophonist (auf einem Titel) und ebenfalls dem "electronics"-Part zuzuordnen. Auf den knapp 50 Minuten wird man lediglich avantgardistische Soundspielereien finden, Melodie: komplette Fehlanzeige. Wer zum Beispiel Interesse daran hat zu hören, welch seltsame Töne man mit der Gitarre erzeugen kann, begleitet von möglichst seltsamen Stimmbandübungen - bitte schön. Ich werde mit Sicherheit keinen zweiten Versuch starten, diese "Musik" zu verstehen. Logisch, dass man für manche Musikarten schlichtweg nicht empfänglich ist, aber dies nehme ich nicht nur als für mich ungeeignet, sondern - mit Verlaub - als ziemlich durchgeknalltes Etwas wahr. Wenngleich ich zugeben muss, dass durchaus ein gewisser Einfallsreichtum dahinter steckt. Es mag durchaus Avantgarde-Freunde geben, die diesem Machwerk eine gewisse Tiefe zugestehen wollen und das Ganze schlicht mit anderen Ohren hören. Ich lege dann aber lieber Simak Dialog vom gleichen Label auf. Das entspricht zwar auch nicht der von mir bevorzugten Musikrichtung, ist aber doch immerhin erkennbar gut gemacht.

Jürgen Meurer



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