CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)

Random Touch - Turbulent flesh
(30:57, Token Boy Records, 2009)

Random Touch waren in der Werkstatt und haben aufgeräumt. Da standen alte Instrumente, rostige Werkzeuge, vergammelte Gerätschaften, deren Sinn längst nicht mehr gegeben oder deren Funktion ein für alle Mal vergangen war. Aufräumen heißt bei Random Touch nicht, die Werkstatt zu räumen, alles rauszuschmeißen und den leeren Raum für neue Aktivitäten vorzubereiten. Aufräumen bedeutet für James Day, Scott Hamill und Christopher Brown Vorhandenes zu nutzen, Klänge daraus zu zaubern, Musik zu machen. He, sie sind 'ne Band! Die Erschaffung neuer Musik ist wohl ein Mysterium. Wann welcher Ton sich zu einem anderen gesellt, Harmonien sich aus Spielerei entwickeln, Klänge zu Musik werden. Es kommt nicht darauf an, den Werdegang zu verstehen, sondern die Musik anzunehmen - oder zu ignorieren. Was Musik ist, entscheidet ein Jeder wohl anders. Wenn dem Einen nur klassische Musik zusagt, ob ihrer ernsten Prägung, und der grundsätzlichen Absage an jegliche Verlotterung, Zeitgeist und Billigkeit, so mag der Nächste nur Black Metal. Des einen Jazz ist des anderen Dancefloor. Blues, Rock'n'Roll, Progressive Jazz Avantgarde Rock, Freecore, Improvisation - was auch immer. Random Touch haben zwar auch schon "herkömmliche", "richtige" Musik gemacht. Jazzrock. Viel mehr aber haben sie einen Draht dazu, Klänge, Musik zu erschaffen, die weder von richtigen Instrumenten in deren ursprünglicher Nutzform stammen, noch allgemein üblichen Harmonievorstellungen entsprechen müssen. Da werden Schlagzeugbecken mit Pinseln gestreichelt, Pianorudimente mit Klöppeln bearbeitet, Folien vor empfindlichen Mikrophonen bewegt, große Bleche in Erschütterung gebracht. Schritte, Kratzen, Schleifen, Stoßen, Schlagen - was die Phantasie hergibt, wird getan und aufgenommen. Später sortiert die Band ihre Klänge, mixt sie und stellt die Songs zusammen, deren Klänge besondere Farben haben. Die Werkstattgeräusche beeindrucken nicht nur ob ihrer Lebhaftigkeit und puren Phantasie, ihre gefühlte Magie macht den größten Reiz aus. Wann so ein Song beginnt, wann endet, wie lang er ist und was darin passiert, bleibt der Band überlassen. Das ist nicht anders als in herkömmlicher Musik. Sie komponieren ihre Songs, geben ihnen den Inhalt und die Begrenzung, die dem gelungenen Ausdruck die richtige Form sind. Wer Lärmmusik, die wie hier sehr harmonisch und fast schon filmmusikartig ist, nicht kennt, braucht gewiss einige Durchläufe und Geduld, sich auf das Experiment, den Sound einzulassen. Wer improvisative Klänge kennt und mag, wird die turbulenten Virtuosität des organischen Werkes lieben. Dieses Mal haben Random Touch sich dafür entschieden, ihre neuen Songs nur auf LP zu veröffentlichen - was eine sehr gute Idee ist und die Aufnahmen aus der Masse der allgemeinen CD-Nivellierung herausreißt, ins Bewusstsein rückt und der kurzweiligen Musik mit dem großen Cover eine bunte Entsprechung gibt. Zwar ist die Platte kaum über 31 Minuten lang, könnte sich weitaus mehr Schalkhaftes auf dem Plattenteller drehen. Aber selbst 79 Minuten lange CDs sind zu kurz, wenn die Musik, die sie enthält, überzeugt. Es wird eine weitere Platte der Band geben, auf CD oder Vinyl. Solange muss diese wie ihre diversen Vorgänger herhalten. Und der Rest des Musikkosmos. Tipp!

Volkmar Mantei



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