CD Kritik Progressive Newsletter Nr.65 (05/2009)
Magma - Studio Zünd
(12 CDs, Seventh Records, 2008)
Gegen Ende des Jahres, im Zuge des lohnenden Weihnachtsgeschäftes, ist es im Musik Business schon seit längerem Usus, "Best Of" Kompilationen oder aufwändige Boxen unters Volk zu bringen. Nun gehören Magma sicherlich nicht zum Mainstream bzw. bescheren einer klammen Major Company zusätzliche Einnahmen, auch wenn man natürlich in der französischen Heimat und in gewissem Maße im Ausland über einen nicht unerheblichen Kult-Faktor verfügt. Deswegen war der ursprüngliche Erscheinungszeitpunkt wohl eher Zufall und lässt sich in erster Linie damit begründen, dass die Band dieses Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert, weswegen Ende 2008 mit "Studio Zünd" eine umfangreiche Box mit allen ihren bisher veröffentlichten Studioalben - vom Erstling von 1970 bis zum 2004er Werk "K.A." - erschien. Alle Alben wurden klangtechnisch überarbeitet, in edle Digipacks gesteckt, sowie mit sehr umfangreichen Booklets (zwischen 32-48 Seiten dick) mit den jeweiligen Entstehungsgeschichten der Alben in französischer und englischer Sprache versehen und zudem mit "Archiw I&II" noch eine Doppel CD mit zum Großteil bisher unveröffentlichtem Material dazugepackt. Vor allem die soundtechnische Überarbeitung hat gerade den Klassikern "M.D.K." (1973) und "Köhntarkösz" (1974) hörbar gut getan, die in den Originalaufnahmen immer recht dumpf und wenig transparent klangen und nie die mitreißende Qualität der diversen Live Interpretationen erreichten. Wenn man natürlich als unfairen Vergleich die Genesis Box der Gabriel Jahre oder auch die Re-Issues von Grobschnitt heranzieht, dann ziehen Magma immer noch den Kürzeren, aber die klangliche Restaurierung holt doch einige Feinheiten mehr und vor allem zusätzliche Dynamik aus den Aufnahmen heraus. Interessant ist natürlich ebenso die musikalische Entwicklung der Band, vom treibenden Jazz Rock der frühen Jahre bis hin zu den stilprägenden Meisterwerken der 70er, aber auch dem dem Zeitgeist geschuldeten 84er Spätwerk "Merci", wo Drum Computer und leicht wavige Funk(!) bzw. Disco(!!) Elemente Einzug hielten. Trotzdem bekommt man hier natürlich vor allem die komplette Zeuhl Vollbedienung aus repetitiven, sich langsam steigernden Rhythmen, grollenden bzw. spirituellen Chorgesängen, sowie dieser ganz eigenen, hypnotischen, ekstatischen Mischung aus Jazz, Klassik und himmlischer Musik. Wenn man an dieser nicht gerade billigen Box etwas Kritik äußern möchte, dann kann man am ehesten dafür zum Teil das Bonus Doppelalbum "Archiw I&II" anführen. Während auf der ersten CD Musik zum Film "24 heures seulement" aus dem Jahr 1970 und eine frühe, nicht orchestrierte Version von "M.D.K." zu hören ist, überrascht die zweite CD unangenehm als ein klangtechnisches Ärgernis. Zwar sind hier die ersten Aufnahmen von Magma aus dem Jahre 1970 enthalten, doch in einer derart miesen Qualität mit Knistern und Krachen, dass wohl alleine der historische Charakter des Materials die Veröffentlichung rechtfertigt. Weiterhin wurde leider auch die Chance verpasst, die beiden "Köhntarkösz" Teile zu verschmelzen. Vielleicht wollte man eben auch nicht zu viel an den Originalaufnahmen verändern, deswegen ist dies vielleicht etwas zu viel Meckern auf doch sehr hohem Niveau. Denn trotz dieser kleinen Kritikpunkte ist diese überaus schmucke Box eine wirklich essentielle Sammlung für alle Magma Fans, deren Anschaffung sich schon alleine wegen der klanglichen Neuaufbereitung, aber ebenso den interessanten Booklets absolut rechtfertigt. Und wenn man sich wie der Schreiber dieser Zeilen alle CDs dieser Box hintereinander in einem wahren Anhörmarathon antut, dann schwebt man unweigerlich auf nach Kobaia. In diesem Sinne: Hamatai!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2009