CD Kritik Progressive Newsletter Nr.65 (05/2009)

iH8 Camera - iH8 Camera
(50:47, Trip In Time, 2009)

Klein-Woodstock im Hessischen. Das sind die Geschichten, wie sie vor allem auf dem legendären Burg Herzberg Festival passieren: eine Band verirrt sich auf dem Weg zum Festivalgelände, das tief im Nirgendwo in der Provinz liegt, schafft es gerade noch pünktlich auf die Bühne, die Instrumente werden flugs eingestöpselt und los geht's. So passiert beim Musikerkollektiv iH8 Camera (=I hate Camera) aus dem belgischen Antwerpen, die 2006 beim Hippie Festival zu Gast waren. Vielleicht lag die ganze Odyssee einfach nur daran, dass die Band eben selten live spielt und man gerade einige Umbesetzungen zu verkraften hatte. Aber vielleicht waren noch ganz andere Mittelchen mit im Spiel... Egal, das titellose Debüt kommt sehr roh, direkt und schnörkellos, irgendwie leicht desorientiert, aber trotz des improvisativen Ansatzes erstaunlich songdienlich in die Gänge. Genauso scheint die Gegend um das Festivalgelände ihren nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben, denn die Psychedelic / Alternative Rock Exkursionen namens "Breitenbach am Herzberg", "Schlitz" oder "Niederaula" sind allesamt nach Ortschaften aus der nahen Gegend des Festivals benannt. So kracht, quietscht und zirpt es, die Instrumente graben sich krautig, hin und wieder fast schon punkig bzw. drogendurchtränkt beseelt durch die Takte. Vorangetrieben von teils ehemaligen Mitgliedern der belgischen Rockformation Deus ist nach etwas mehr als 50 Minuten der Spuk schon vorbei. Trotz des recht experimentellen Ansatzes entstehen hin und wieder absolut faszinierende Momente, gerade dadurch, dass hier direkt Musik im Moment des Entstehens festgehalten wurde. Das Publikum schien genauso von der ungeplanten, komplett improvisierten Exkursion fasziniert bzw. weggeblasen, denn nur selten bis gar nicht sind irgendwelche Reaktionen aus dem Auditorium zu vernehmen. Harter Tobak aus den Randbereichen des kollektiven Deliriums!

Kristian Selm



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