CD Kritik Progressive Newsletter Nr.65 (05/2009)
Humcrush - Rest at world end
(51:19, Rune Grammofon, 2009)
Ståle Storløkken (key, Supersilent, Elephant9, Skywards and Bol) und Thomas Strønen (dr, electr, Food, Maria Kannegaard Trio, Parish) erneuern etwas, was die Geschichte der Rockmusik schon einige Male sah. Keyboard-Schlagzeug-Duos hat es auch in Skandinavien bereits gegeben, seit den Sechzigern brachten es einige Duos zu kuriosen Alben und witzigen Erfolgen. Humcrush lehnen sich an keine Vorgaben an, an kein Duo und keinen Stil. Und dennoch ist in ihrer Spiellust zu erkennen, dass sie zumindest einige der alten Scheiben gehört haben müssen, die altvordere Tasten-Drums-Duos einspielten. Humcrush spielen eigenwilligen, avantgardistischen Funk. Jazz und Rock überbieten sich in angespitzten Rhythmusexperimenten, es wird zum Tanz gebeten und wer die heikel komplexen Rhythmusbrüche, die dazu viel Lust ausstrahlen, tanzend übersteht, der hat wahrlich rhythmisches Gefühl. Melodisch / harmonisch ist "Rest at world end", diese Sammlung aus 11 Tracks, minimalistisch. Als Vergleich fällt mir die Arbeit von Mats/Morgan ein, obschon das schwedische Duo erheblich mehr rockt und weitaus abstraktere und heftigere Radikalkuren anbietet. Humcrush haben ein Faible für Dancefloor, was sie in ihren heftigen Minimalepen hier und dort ganz unverblümt vorstrecken. Nur für einige Momente, um das Experiment zu bügeln und etwas mehr Leichtigkeit ins Spiel zu bringen. Ambiente Sounds von lichtleichten Glockenspiel-Sounds untermalt und dem ewig groovenden Tastenbass auf erotischem Kurs gehalten, umschmeicheln den Hörer. Das Duo strebt zur Stille, auch wenn es dazu harsche und laute Sounds auffahren muss. Agogische Zentren ummalen Sekundenausbrüche zwischen episch fließenden Sounds, wie sie nur aus Skandinavien kommen können (was die Band jetzt nerven wird, warum wird sie nicht norwegisch genannt, sondern immer nur dieses beschissene "Skandinavien"?!?). Technisch sind die beiden Instrumenthandwerker mit allen Wassern gewaschen, sie haben Humor, sind ideenreich und haben Faibles für diverse wunderschön kranke Sounds. Für Schubfach-Fetischisten sei gesagt, dass "Rest at world end" wieder einmal nicht sorgfältig sortiert werden kann. Zuviel zuwenig von allem, um genau untergebracht zu werden. Was Jazz ist, ist auch Funk. Was Funk, auch Rock. Was Rock auch Klamauk und alles ist ein lustvoller Witz. Eine Humoreske, die aus Düsternis schwere Energie zieht und nur eines will: unterhalten. Diese heutige krachvolle Welt, in der es mehr Musiker als Elefanten gibt, bedarf immer wieder erneuerter Klanglandschaften. Diese hier ist eine, die weit über das hinausgeht, was letztlich schon tausendfach ausgedrückt worden ist: Mainstream ist hier nicht. Kein Rock, kein Jazz, kein Funk. Nur kühler, witziger, ambienter Klang. Ein kühnes, cooles Experiment, dessen Erfolg nur unbedingt erwünscht sein kann.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2009