CD Kritik Progressive Newsletter Nr.65 (05/2009)
Delirium - Il nome del vento
(62:42, Black Widow, 2009)
Die vom Jazz und der Klassik durchtränkten Italoprogger mit Gründungsjahr 1969 haben nach drei veröffentlichten Alben und ihrer Trennung im Jahr 1975 im gereiften Alter 2003 wieder zusammen gefunden und veröffentlichten nun zu Beginn des Jahres 2009 ihr Comeback-Studiowerk "Il nome del vento". 2007 hatten sie schon das Album "Live 2006 - Vibrazioni notturne" heraus gebracht. Von der damaligen Fünferbesetzung der 70er sind lediglich die drei Protagonisten an Flöte, Saxophon und Gesang (Martin Grice), an Keyboards und Gesang (Ettore Vigo) sowie am Schlagzeug mit Gesang (Pino de Santo) zurückgekehrt. Die Musiker an Bass und Gitarre wurden neu besetzt und zusätzlich weitere Musiker mit ins Studio geholt, wozu ein komplettes Streichquartett gehört. Der ehemalige Gitarrist und Sänger Mimmo di Martino ist lediglich als Sänger auf dem sechsminütigen Titelstück zu hören. Die künstlerisch ansprechende Covergestaltung mit fröhlichem und düsterem Inhalt zum Albumtitel "Der Name des Windes" (ich hoffe, ich habe es richtig übersetzt) von Anna Ferrari sowie das 24seitige Booklet machen mir Appetit, sich mit dem musikalischen Inhalt des Silberlings zu beschäftigen. Dem Albumtitel entsprechend beginnt die Musik mit Donnergrollen, Regen- und Windgeräuschen, die nahtlos in wohlige Flöten- und Keyboardklänge mit entspanntem italienischen Gesang übergehen. Schon mit Beginn des zweiten Tracks werden uns die Streicher vorgeführt, die in Symbiose mit Flöten- und Saxophonklängen jazzige Gefilde betreten, wobei der Song sowohl melodisch-progressive als auch dramatisch-theatralische Klangbögen durchschreitet. Der ergänzende Gesang von Sophya Baccini mit elfenhaftem Timbre weiß mir zu gefallen, der auch auf drei weiteren Stücken zu hören ist Delirium zeigen uns auf ihrer über 59minütigen Klangreise mit 11 Songs (inklusive dem Bonus Track sowie der Neueinspielung von "Dio del silencio") eine reichhaltige Mischung aus Jazz, Klassik, Folklore, Soundtrack-Musik und klassischem Prog, die erstmal verdaut werden möchte. Manchmal klingen sie lieblich-süß melodisch, dann wieder komplex anstrengend, um in den folgenden Soundbögen allerfeinsten italienischen Prog im Stil der 70er Jahre ertönen zu lassen. Fröhliche Stimmungen, düster-melancholische Atmosphären und pompös-dramatische Sequenzen werden einem geboten, wobei die Flöten- und Saxophontöne von Martin Grice prägend für die Scheibe sind. Ebenfalls spielt das Streichquartett eine tragende Rolle, wodurch im Zusammenspiel mit Flöte und Saxophon viel Jazz und Klassik zu hören sind und die Musik auch schon mal Soundtrack-Charakter aufweist. Am meisten wird mein Herz erfreut, wenn Lead Sänger Roberto Solinas sich mit seinem vorzüglichen Gitarrenspiel in den Vordergrund drängt, da ich dann an Franco Mussida von P.F.M. erinnert werde. Die vielfältigen Keyboardklänge mit Hammondorgel, Moog, Fender Rhodes und Mellotron von Ettore Vigo wissen die Musik ebenfalls prägend zu bereichern. Letztendlich lässt "Il nome del vento" bei mir auch nach mehreren Hördurchgängen etwas zwiespältige Gefühle zurück, da der große musikalische Mix mich nicht richtig in den Bann ziehen mag. Auch wenn Erinnerungen an The Moody Blues "Days of future passed" oder die Musik von Bands wie Jethro Tull und Quella Vecchia Locanda ausgelöst werden, kann mich die musikalische Inszenierung durch ihre vielen Stilbrüche nicht ganzheitlich überzeugen. PS. Das überwiegend animierte Computervideo mit dem lieblich-melodischen "L'acquario delle stelle" ist nicht der Rede wert.
Wolfram Ehrhardt
© Progressive Newsletter 2009