CD Kritik Progressive Newsletter Nr.65 (05/2009)
Computerchemist - Atmospheric
(60:07, Syngate, 2007)
Und wieder mal ein neuer Name bzw. ein neues Synonym in der Elektronik Szene. Diesmal geht es um einen Künstler, der sich Computerchemist nennt. Dahinter steckt der britische Musiker Dave Pearson, der mittlerweile in Ungarn lebt. Er nennt als Inspirationsquellen Klaus Schulze und Tangerine Dream aus den 70er und frühen 80er Jahren. Das ist ja so weit alles andere als ungewöhnlich für einen Musiker, der im Elektronik Genre aktiv ist. Interessant fand ich den weiteren Hinweis, dass er sich auch von gegenwärtiger Musik hat beeinflussen lassen. Hierzu nennt er zwei Beispiele, nämlich The Mars Volta und Csaba Vedres. Letzterer ist möglicherweise dem einen oder anderen Leser als ehemaliger Keyboarder der ungarischen Prog-Combo After Crying bekannt. Und diese waren bzw. sind nicht gerade für Easy Listening Prog bekannt. Ich kann jetzt zwar nicht gerade behaupten, dass ich die Prog-Einflüsse in Atmospheric überdeutlich heraushören kann, doch leichte Progansätze gibt es durchaus. Mit Schulze und TD sieht es da natürlich anders aus, denn genau diese klingen dann doch schon mal durch, ohne dass sie jedoch beliebig kopiert werden. Das erste Drittel des Albums nahm ich zunächst als nett, aber unspektakulär zur Kenntnis, doch danach nimmt "Atmospheric" ordentlich an Fahrt auf. Und zwar derart, dass ich mittlerweile von dem gesamten Album absolut begeistert bin. Hier werden in guter Prog-Tradition auch mal Fingerfertigkeiten vorgeführt, der Mann kann durchaus beeindruckend in die Tasten hauen. Aber er bedient auch bisweilen leicht verzerrte Gitarren, was mich auch mal an Edgar Froese, Ashra oder Heldon erinnert. Neben "Flight of F" beeindruckt mich speziell das überaus pompöse "Tribalibal", das ein Vangelis kaum besser arrangiert hätte. "French game idea" erinnert an Jarre, der Titelsong ein wenig an Tangerine Dream, "Domino's lament" besitzt Ohrwurmqualität und lässt angesichts des Gitarrenspiels an Edgar Froese denken, das abschließende "Sharazad" hat auch mal leicht krautige Elemente. Der Fan der symphonischen Variante des Elektronik Genres kommt hier voll auf seine Kosten. Dem Briten gelingt es mit diesem Album, sich nachhaltig bemerkbar zu machen. Er verschwindet eben nicht mit einem beliebigen 08/15-Album in der breiten Masse der Elektronik-Veröffentlichungen, sondern macht mich ausgesprochen neugierig auf weitere Werke. Stark! Und ein dickes Dankeschön an Lothar Lubitz, dass er sich dieses Talentes angenommen hat!
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2009