CD Kritik Progressive Newsletter Nr.65 (05/2009)

Galliard - Strange pleasure
(42:51, Esoteric Recordings, 1970)
Galliard - New dawn
(42:51, Esoteric Recordings, 1970)

Es klingt im ersten Augenblick immer verdächtig, wenn Re-Releases mit Worten wie "gesuchtes Sammlerstück" beworben werden. Erschien ein Album nur in Kleinstauflage, weil einfach der Inhalt nicht stimmte? Denn Sammlerstück ist nun mal nicht mit unentdecktem Juwel gleichzusetzen. Bei den 1968 gegründeten Galliard kann dieser Verdacht zum Glück bei Seite geschoben werden. Die Band hatte einfach nur das Pech, nicht den ihr zugestandenen Erfolg bzw. Aufmerksamkeit zu erreichen. So erschienen beide Alben zwar bei Decca's Progressive Sublabel Deram Nova, erwiesen sich aber kommerziell als Flops. Auch Gigs u.a. mit Led Zeppelin, Black Sabbath oder Mott The Hoople bzw. Festivalauftritte halfen der Band nur bedingt weiter. "Strange pleasure", das Debüt der sechsköpfigen, britischen Band ist zwar hörbar in den End 60er / frühen 70ern zu Hause und klingt für heutige Verhältnisse recht angestaubt. Doch der gelungene Mix aus Brass Rock (im Stil der frühen Chicago), Folk Elementen und frühen progressiven bzw. leicht psychedelischen Ansätzen hat durchaus seinen eigenen Charme. Zwar bewegen sich Galliard hauptsächlich im 3-4 minütigen Bereich, doch vor allem durch die massiven Bläsersätze und flotte, treibende Rhythmen, ist das Album schwungvoll und abwechslungsreich gestaltet. Als Gegenpol dienen dazu sanft-folkige, aber dennoch anspruchsvoll gestaltete Songs mit leichtem Flower Power Flair. Auf ihrem zweiten Album legen Galliard stilistisch und kompositorisch noch einen drauf. Zwar bleibt man dem eigenen Weg des Debüts vom Grundansatz her treu, doch wirkt vieles wesentlich offener, experimenteller und sowohl spielerisch, wie auch von den Arrangements her ausgefeilter. Nicht nur, dass man zum Teil auf längere Laufzeiten setzt und somit instrumentelle, teils jazzige Freiräume schafft, auch durch Spektrumserweiterung mit indischen Raga Elementen (mit Sitar), mittelalterlichem Folk und einer großen Bläserbesetzung (Trompete, Flügelhorn, Saxophon, Posaune) bieten sich ganz andere klangliche Gestaltungsmöglichkeiten. So hat im internen Vergleich "New dawn" die Nase vorn und ist ein ansprechendes musikalisches Zeitzeugnis der frühen 70er. Die Aufbereitung von Esoteric Recordings ist wie gewohnt vorbildlich. Ausführliche Booklets, klangliche Restaurierung durch Remastering und Bonustracks runden diese historischen Wiederveröffentlichungen ab.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2009