CD Kritik Progressive Newsletter Nr.64 (02/2009)
Mörglbl! - Toons tunes from the past
(59:54 + 60:48, Free Electric Sound, 2008)
2007 brach über die Technik-Freaks im Prog Jazz Genre eine kleine Sensation herein. Das, wie alle Welt sodann bemerkte, bereits dritte Album der französischen Metal-Jazz-Kapelle Mörglbl entlud eine unbändige, humorverseuchte und keiner eingefahrenen Spur gehorchende Vitalmusik in die Hörsinne des Volkes, das selbst Festivals wie die Zappanale zugriffen und das Trio zur Livemusizierung auf die Bühne stellten. Das Konzert war pure Lust, da wurde AC/DC zu Latin-Jazz und Latin Jazz wurde zu, nee, zu Metal. Christophe Godin (g, voc), Ivan Rougny (b, voc) und Jean Pierre Frelezeau (dr, voc) kommen aus verschiedenen Genres. Der erste ist der Metaller, der zweite der Funk-Verseuchte, der dritte der Jazzer. Bühne und Platte präsentierten eine enorm frische, von der Seele weg und dabei stets sehr technisch und komplex arbeitende Truppe mit unzähligen Ideen und einer Solo-Wut, die nur beeindruckend war. Christophe Godin, daraufhin angesprochen, meinte nein, die ersten beiden Alben seien nicht mehr verfügbar. Das hat das ferne The Laser's Edge Label auch gehört und die aktuell bekannte, weil weltweit tourende Truppe für das Reissue beider erster Werke unter Vertrag genommen. Und weil es für das hörende Volk leichter, preiswerter und überhaupt alles gemeinsam zusammen einfach besser ist, gibt es besagte zwei erste Alben nun auf einem Doppelsilberling. "The Mörglbl Trio!!", das erste Mal 1998 veröffentlicht, hat CD1 besetzt. 13 Songs darauf, die bereits die abgefahrene Sprache sprechen, ohne bereits die Akzente und Witze so ganz drauf zu haben. Technisch perfekt (immerhin ist der mit allen Rock-Wassern gewaschene, akustische und elektrische Gitarrist Christophe Godin Laney-Endorser, und Ivan Rougny ist dies ebenso und die ganze grandiose Crew nicht wenig geschult) präsentieren sich harte Komplexrocker, noch härtere Frickelmetalmätzchen und dezente Jazzstrukturen. Keine Ahnung, was besser ist, diese nachdenklichen Jazzphantasien oder die spannenden, flotten und schnellen Heavy-Teile, oder auch die zwischen den Tracks liegenden Cartoon-Voices und schrägen Soundschnipsel. Das bleibt auch auf CD2 so erhalten. Was nur ist besser? Nun, zuerst einmal und schließlich CD2. Das Trio hat für "Bienvenue À Mörglbl Land" seine Arbeit verfeinert, die Strukturen verkompliziert, mehr Energiewürze beigegeben, die Songs lebhafter, frischer und lockerer gebacken und Humor noch mal ganz groß und größer geschrieben. Dabei rieselt und prasselt es Gitarrensoli, verflixt funksatte Basssoli und knackfrische, ähm, Knackfrische. Zwei Tracks sind als Bonus dazugekommen, ebenso jazzlastig, ebenso hart, ebenso intensiv. Und gar einige Jazzrock-Einflüsse aus den frühen Siebzigern machen sich breit, wenn Bassist Rougny vom Funk lässt und galante Disharmonien der "alten Welle" intoniert, woraufhin Gitarrist Godin sofort soliert - und am fernen Himmel zieht ein Hauch von Return To Forever vorbei. Da sind wieder die Toon-Sounds, die diesem Doppler schließlich den Namen gegeben haben, die gesprochenen Wörter, die folkloristischen Akkordeon-Schnipsel und Tanzmusikrhythmen, aus denen kochendes Metal entweicht, brodelnd die nächste Note mit purer Lust in ganz großartigen Nonsens zu verwandeln. Schon verrückt, die Typen aus dem Mörglbl Land. Für ihre dritte Scheibe hatten sie sich 7 Jahre später quasi reformiert, nachdem das Projekt lange untot in die Ecke geschliffen worden war und alle drei Besatzungsmitglieder in anderen Truppen ihren tontechnischen Ausdruck suchten und gewiss vermutlich auch fanden. Hier ist er. Der Rest. Das erste und zweite aus der ersten Reihe. Nix weniger als unbedingt empfehlenswert für Gitarrenfreaks, Jazzrocker, Jazzmetaller, Humorsuchende im Rock-Kessel und Komplex-Progger, die neben der symphonischen Schiene auch die freakige fahren. Eine Erfahrung allemal, nein, gleich zwei, haut vor allem CD2 vom Hocker. Also, fest sitzen!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2009