CD Kritik Progressive Newsletter Nr.64 (02/2009)
Lyrian - Nightingale Hall
(75:08, Medieval Records, 2008)
Nach einer ausgesprochen hohen Dosis elektronischer Musik komme ich dann doch noch zum eigentlichen Themengebiet zurück, sprich: ich habe mir eine CD aus dem Prog Bereich gegriffen, die ich an dieser Stelle einmal vorstellen möchte. Und es wird auch sehr schnell klar, warum. Die vorliegende CD ist eine auf 500 Exemplare limitierte Ausgabe, die den Sammler rarer Prog-CDs erst mal ansprechen sollte. Schaut man dann im Internet nach, findet man auch tatsächlich einige (positive) Reviews hierzu. Was ich da so lese, spricht mich dann auch wirklich an. Pastoraler Prog mit vielen akustischen, aber auch teils bombastischen Parts, Ähnlichkeiten mit frühen Genesis, Gryphon oder Barclay James Harvest, vielleicht auch ein bisschen Anthony Phillips oder Willowglass. Na ja, jedenfalls habe ich mir das Teil zugelegt, ich glaube schließlich fast jeden Mist, den ich da im Internet lese. Es fängt mit dem 2-minütigen "Prelude" ja auch ganz nett an. Super Breitwand-Sound habe ich bei so einem Mini-private Release auch gar nicht erwartet. Und dann kommt schon der erste Longtrack, das fast 18-minütige "Nightingale". Na ja, ich war ja erst mal wirklich positiv eingestellt und wollte diesem britischen Trio selbstverständlich eine gute Chance geben. Um genau zu sein: das Trio besteht aus John Blake (Gitarren), Alison Felstead (Bass) und Paul W. Nash (Keyboards, Gitarren, Percussion, Woodwinds). Und dann steht bei allen noch das unscheinbare Wörtchen "Singing". Als eben dieses "Singing" dann einsetzt, bin ich erst mal sprachlos. Ein Zustand, der sich im weiteren Verlauf des Albums kaum verändert. Man kann den Übeltäter ja noch nicht einmal eindeutig zuordnen, da singt jedenfalls einer schlechter als der andere. Etwas derart Grauseliges habe ich schon lange nicht mehr gehört. Da bekommt man glatt Angst, dass der Betreffende sich beim Singen eine Verletzung zuziehen könnte. Es schwirren mir reichlich Fragen durchs angeschlagene Hirnchen. Meinen die das ernst oder wollen die mich veräppeln? Muss ich Mitleid haben? Haben die das selbst überhaupt wenigstens einmal gehört, was sie da gesangstechnisch fabriziert und auf CD verewigt haben? Welches Selbstverständnis muss man besitzen, um ernsthaft glauben zu können, dass das auch noch anderen gefallen könnte? Na ja, irgendwie scheine ich ja doch mit meinen Einwänden etwas daneben zu liegen, wenn ich mir die diversen Kritiken mal ansehe. Da wird teilweise gar nicht erst auf den Gesang eingegangen. Aber mal ehrlich: das hier verschlägt mir glatt die Sprache. Dass man die Gehirngänge partiell so weit abschalten kann, dass man DIESEN Gesang einfach ignorieren kann, entzieht sich beim besten Willen meinem Vorstellungsvermögen. Da kann ich mich auch nicht mehr verbal so verrenken, dass die Kritik doch noch halbwegs freundlich ausfällt. Okay, ich könnte es ja mal versuchen. Daher ein paar Angaben zum präsentierten rein instrumentalen Teil des Albums: Nett. Mehr sogar, manchmal richtig schön, da hätte glatt was draus werden können. Die perkussive Untermalung - geschenkt. Es sind einige wirklich schöne Parts mit Keyboards, Akustikgitarre, oder auch mal mit Flötenbegleitung zu registrieren. Wie gesagt: Nett. Aber der "Gesang" macht halt wirklich alles total kaputt. Mit Verlaub, das ist weder grenzwertig noch gewöhnungsbedürftig, das geht schlichtweg GAR NICHT! Ich glaube, ich lege mir wieder eine Elektronik-Scheibe rein. Da singt im Zweifel wenigstens niemand. So macht "Prog" jedenfalls gar keinen Spaß. Zur Wertung: Instrumental: 7 Punkte, Gesang: - 100. Macht zusammen: - 93. Für diese grobe Unverschämtheit und beinahe komplette Zeitverschwendung muss man auf der PNL-Bewertungsskala eigentlich 0 Punkte geben, aber ich will mal ein paar positive Aspekte so hoch gewichten, dass ich immerhin auf satte 2 Punkte komme. Das war doch jetzt nett, oder?!
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2009