CD Kritik Progressive Newsletter Nr.64 (02/2009)

Isotope - Golden section
(68:42, Cuneiform Records, 2008)

Stil: Jazz. Sound: Rock. Dynamik: intensiv. Virtuosität: immens. Die Aufnahmen auf der CD stammen aus drei verschiedenen Konzerten. Die Tracks 1 bis 6 wurden am 20. Mai 1975 in der Bremer Post-Aula in der Reihe "Sparkasse in Konzert", veranstaltet durch Radio Bremen, aufgenommen (ich hätte damals gern in der Nähe gewohnt, etliche gute Acts wurden in dieser Reihe veranstaltet, etwa Nucleus und Soft Machine neben Isotope). Die zwei darauf folgenden Stücke wurden im April 1975 in New York aufgezeichnet, die letzten 4 am 23. Juli 1974 in London. Es gibt keine Überschneidungen mit der BBC Live CD von Gary Boyle und Isotope, die 2004 von Hux Records veröffentlicht wurde. 1975, Isotope hatten ihre ersten beiden Alben "Isotope" (1974) und "Illusion" (1975) veröffentlicht. In der Setlist des Bremer Konzertes sind mit "Attila" und "Mr. M's Picture" jedoch auch schon Songs vom letzten Werk der Band zu hören, dem 1976er "Deep End". Die Band brach noch im selben Jahr auseinander, Chef und Gitarrist der Crew, Gary Boyle, machte unter eigenem Namen im gleichen Stil weiter, "The Dancer" (1977) steht noch ganz im Isotope-Geist, die beiden folgenden Alben "Electric Glide" (1978) und "Step Out" (1980) verwässerten, wie im Jazzrock zu der Zeit üblich, ihre Kompromisslosigkeit zur Leichtigkeit, gehören dennoch zu den guten. Weitere Mitglieder, Hugh Hopper und Nigel Morris etwa, die auch am letzten Album partizipierten, blieben ebenfalls im Jazzrock (und darüber hinaus) aktiv. Auf "Golden Section" sind drei Stücke gleich zwei Mal zu hören. "Illusion", "Attila" und "Spanish Sun" wurden in Bremen aufgezeichnet, "Attila" zudem in New York, "Illusion" in London. Das ist keinesfalls dumm, ist so doch gut zu hören, wie die Liveband ihre Songs verschieden improvisierte. Von der ursprünglichen Struktur ist in mancher Komposition kaum etwas geblieben. Die Rhythmuscombo Hugh Hopper (b), Nigel Morris (dr) und Laurence Scott (key) [plus Aureo de Souza (perc) in Bremen] baut für den stetig solistisch aktiven Gary Boyle einen heißen, flüssigen, energischen Teppich, der in allen Instrumenten seine improvisativen und solistischen Ausführungen bekommt. Isotope standen stets im Schatten der großen Jazzrock-Bands. Was nicht gerechtfertigt ist. Isotope waren mehr Return To Forever als Soft Machine, mehr Mahavishnu Orchestra als Return To Forever, und doch ganz europäisch. Gitarrist Boyle wandelt auf den Spuren John McLaughlins, partiell ist die Inspiration des Jazz rockenden Gitarrengottes von geklauter Deutlichkeit. Technisch ist Boyle - wie seine brillanten Kollegen - bestens drauf gewesen, die Aufnahmen sind nicht nur soundtechnisch grandios. Spielfreude und Improvisationslust sind von enormer Intensität und hoher Qualität. Es geht derart dynamisch und lebhaft zur Sache, dass die Spielzeit von knapp 69 Minuten in deutlich kürzer gefühlter Zeit verläuft. Ein Markenzeichen der Kurzweiligkeit. Wer auf Jazzrock abfährt, muss diese Aufnahme gehört haben. Die CD ist, wie die Jazzrock-Reihe auf Cuneiform Records allgemein und überhaupt, von hoher Qualität und nur unbedingt zu empfehlen. (Im Übrigen benötigen die jeweils drei Alben von Isotope und Gary Boyle [wie ebenfalls alle Alben von Brand X, um ausführlicher zu werden] endlich eines würdigen und ausführlichen Reissues!)

Volkmar Mantei



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