CD Kritik Progressive Newsletter Nr.64 (02/2009)
Factor Burzaco - Factor Burzaco
(50:31, Burzaco Records, 2007)
Im Booklet zur Debüt-CD der argentinischen Band Factor Burzaco sind nicht nur die Texte der Songs abgedruckt. Ein Abriss zur Bandgeschichte ist ebenfalls enthalten, es bedarf jedoch der Kenntnis der spanischen Sprache, dies erkenntnisreich zu lesen. So weit bin ich noch nicht. Immerhin konnte ich mir einiges zusammenreimen. Factor Burzaco ist ein Projekt des 1960 in Buenos Aires geborenen Komponisten Abel Gilbert, der sämtliche Songs auf der CD komponiert und arrangiert hat. Inspiration für die Songs fand Gilbert in der Musik der Beatles, King Crimson, Gentle Giant, Egberto Gismonti, Caetano Veloso und Henry Cow sowie in klassischen Komponisten wie Debussy, Berio, Ligeti und Morton Feldman. Von der ersten Sekunde an ist zu hören, dass nicht ein selbst gemachter Musiker die teilweise extrem aufwendigen und höchst komplizierten Songs komponiert hat. Die Einflüsse machen sich nicht in ihrer Spielart, sondern ihrer Extravaganz und Eigenart bewusst. Beim ersten Anhören stockte mir der Atem und ich war schier überfordert, aber danach löste sich das Klangknäuel und präsentierte seine elegante, sehr eigene und verflixt komplexe Struktur. Was Carolina Restuccia schon im ersten Song zu singen hat, ist in der populären Musik, selbst der anspruchsvollen, sehr selten. Dissonanzen treffen sich zum höheren Vergnügen, Streicher, Bläser und Rockband fügen ein wunderbares "Durcheinander". Doch keine Angst, so irritierend intellektuell wie im ersten Song wird es so schnell nicht wieder. "Factor Burzaco" ist keine gängige Progressive Rock CD. Das avantgardistische Bandprojekt tendiert hingegen auch nicht zu kreischenden Tönen, die Ohrenschmerzen verursachen. Thinking Plague und 5uu's sind etwaige Parallelen, was Gesangslinien und Gesangarrangements betrifft. Die Rockband darum arbeitet deutlich weniger komplex als 5uu's, hat stets diese dezent harsche Note, die King Crimson einst zu Größe und Ansehen brachte. Gitarrist Marco Bailo ist für den King-Crimson-Faktor zuständig, während Federico Arbia (b) und Nicolas D'Almonte (dr) den druckvollen und schwer komplexen Rhythmus fügen. Esteban Saldaño spielt hörbar klassisch ausgebildet die "schrägen" Pianofiguren, kongenial von Bläser- und Streichergruppe begleitet, die vor allem den neoklassisch avantgardistischen Ausdruck in die Songs bringen. Trotz aller Schrägheit und Extravaganz sind die Songs für solcherlei Musik geübte Ohren nichts Überforderndes. Eine ungewöhnliche Herausforderung für Grenzgänger zwischen Progressive Rock, Avantrock und Neoklassik - und weil so besonders gut komponiert eine Delikatesse für Liebhaber. Tipp!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2009