CD Kritik Progressive Newsletter Nr.64 (02/2009)

Talisma - Quelque part
(43:24, Unicorn Digital, 2008)

Talisma sind wie Spaced Out kanadische Jazzrocker, deren Chef und Hauptkomponist Bassist Donald Fleurent ist. Daneben hat Fleurent Passagen an Gitarre, Synthesizer und Mellotron eingespielt. Seine Mitstreiter Mark Di Claudio (dr), Martin Vanier (g), Florence Bélanger (voc, p), Marc Filiatrault (g) und Alain Boyer (dr) haben wie Gast Lauren Bélee (g) partiell ihren Anteil geleistet. Die ganze Truppe war nie zusammen aktiv, es spielten keine zwei Schlagzeuger oder Gitarristen gleichzeitig. Anders als Spaced Out sind Talisma nicht der hohen Kunst des komplexen Rhythmusbruchs verpflichtet. Nicht in dem erheblichen Maße jedenfalls. Nicht weniger originell und technisch, sind Talismas Songs doch weitaus melodischer und harmonischer. Rein instrumental, Florence Bélangers Gesang in den zwei Vokaltracks ausgenommen, haben die Songs einigen Witz und viel Energie. Da scheint sich einige Folklore in die freakigen Stücke vererbt zu haben. Mit Wucht und Dynamik spielt die Band diese ungewöhnlichen und doch progtypischen Tracks. Der Aufnahmeleiter der Rhythmusabteilung hat zwar nicht den besten Job getan und vermutlich nicht die dicken Stöpsel aus den Ohren bekommen. Mehr Druck hätte die Rhythmusarbeit dichter nach vorn mixen und kräftiger einbringen sollen. Das ist ein mäßiger Part, der aber in der Ideenfülle zu verkraften ist, immerhin ist das Schlagzeug, wenn auch mit teilweise richtig schlechtem Klang, zu hören. Donald Fleurent hat auch seinem dritten Album eigenwillige und bisweilen avantgardistische Ideen geliefert. Nie wird es zu schräg, nie eintönig. Talisma standen noch nie für den besonders langen Track, insofern ist es fast ein Wunder, das die CD abschließende "Cassiopeia" in über neun Minuten ausgedehnt zu hören. Symphonische Schwelgereien paaren sich mit akustischen Partien, die aus der Klassik inspiriert scheinen. Lyrische Motive brechen in schräge Sounds aus. Jazzharmonien flirten mit Rhythmusbrüchen. Weit entfernt von metallischer Härte haben die Songs doch einige Knackigkeit, viel Wärme und schöngeistiges Flair. Erstaunlich, dass die Kanadier im Progressive Rock ein Schattendasein fristen. Vermutlich liegt das an der überwiegend instrumentalen Orientierung. Und an ihrem verpennten Rhythmusaufnahmeleiter, der gefeuert gehört. Reinhören unbedingt empfohlen!

Volkmar Mantei



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