CD Kritik Progressive Newsletter Nr.63 (09/2008)
Sun - Sun
(79:38. Garden Of Delights, 1980)
Der Ursprung der Band liegt im Jahr 1966, als sich die Beatgruppe The Redcoats gründete. Daraus wurde 1969 Punished Sun, die nicht mehr Beat spielten und sich der progressiven Rockmusik zuwandten, der Einfachheit halber wurde der Bandname 1974 in Sun gekürzt. Es gab diverse Besetzungen, die erst Vanilla Fudge und The Nice nacheiferten und schließlich Colosseum, King Crimson und Gentle Giant als Vorbilder erkannten. Zwei lange Songs wurden 1974 für die Doppel-LP "Proton 1" eingespielt, neben Sun waren die Bands Zyma, Andorra, Penicillin und Nexus mit eigenen Stücken dabei. Doch erst 1980, nach Umbesetzungen, Geldknappheit und veränderten stilistischen Einflüssen, nunmehr standen die Musik von Bands und Musikern wie Frank Zappa, Miles Davis, Mahavishnu Orchestra, Herbie Hancock und Weather Report im hoffnungsfrohen, kreativen Sinn von Sun, kam es zur Einspielung der nunmehr von Garden of Delights digital remasterten, mit Geschichte der Band und Bildern im dicken Booklet auf CD neu veröffentlichten Platte. Rudi Hermann (dr), Bruno Mäder (sax, lyricon, voc), Harry Müller (g, voc), Gunter Hübner (g), Thomas Heldmann (b, voc) und Reinhard Stephan (key, org) spielten die 7 Songs ihrer einzigen alleinigen LP zu Ostern 1980 im Tonstudio Krings bei Hanau ein. Auf die Umstände der Einspielung wie der kompletten Geschichte der Gruppe wird im Booklet ausführlich eingegangen, zudem hat die Band, heute wieder aktiv, eine informative Webseite eingerichtet, die einiges Wissenswerte zur Band bereit hält. Die 7 Eigenkompositionen sind erstaunlich gut komponiert und technisch eindrucksvoll eingespielt. Alle Musiker verstehen es, ihre Instrumente virtuos zu bedienen, davon zeugt nicht nur der dynamische, vitale Songaufbau, sondern auch einige illustre Soli. Ganz besonders haben es mir die angenehm kompromisslosen, ausgeklügelten und schneidend harten Gitarrensoli angetan, derer es in den Songs einige gibt. Zwar fällt mir zum Namen des Openers "Ohne Titte" nichts Sinnvolles ein, aber wenn sechs Jungs allein im Studio sind, kommen ihnen unwillkürlich oder bewusst, wie auch immer, gewiss einige außermusikalische Gedanken und Gefühle, die schlicht abgehakt werden wollen. Wie dem auch sei, hinter dem bescheuerten Titelnamen steht feine, detailreiche Musik. Sun spielen progressiven Jazzrock sehr virtuos, Texte werden selten gesungen, die Zeit der Songs wird ausführlich für genüsslich lange und wohl klingende Instrumentalarbeit, akustisch wie elektrisch, genutzt. Als Bonus sind die beiden langen Songs der 1974er LP "Proton 1" enthalten. "Leisure" (10:50) und "To Ceila" (8:50) haben weitaus weniger Jazz im Blut, klingen krautiger und rauer. Es gibt noch nicht so viel kleinteilige, differenzierte Schlenker, Ecken und Kanten, die Songs bringen es dennoch, wenn der Gesang, solo wie im Chor, von Folk und Klassik inspiriert, mir auch etwas naiv erscheint, als würde mit güldener Stimme ganz brav die frohe Botschaft intoniert (was jetzt nix mit deren Inhalt zu tun hat). Zwei 1978er Aufnahmen mit Bläserbesetzung gehen sehr gut ab, davon hätte ich mir mehr gewünscht. Im Text zur Band ist nachzulesen, dass diese beiden Aufnahmen stark gekürzt werden mussten, damit die Spielzeit der CD nicht platzt und alle notwendigen Songs aufgenommen werden konnten. Da hätte ich lieber die zwei 1994er Aufnahmen weggelassen, die als letzte Songs auf der CD sind, zwar auf alten Kompositionen beruhen, aber längst nicht so einen dynamischen, schlicht geilen, um auch mal einen anderen Gedanken einzubringen, Eindruck machen. Jazzrock-Fans sei die CD besonders ans Herz gelegt, wer auf Krautrock steht und einigermaßen süchtig ist, kommt an den tollen CDs des Labels sowieso schlecht vorbei.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2008