CD Kritik Progressive Newsletter Nr.63 (09/2008)

Jan Schelhaas- Dark ships
(63:42, Esoteric Recordings, 2008)

Das Cover schon und ein erstes oberflächliches Hören machen den Eindruck, die umfassende Arbeit der CD sei eine Anklage gegen das Altern. Das nach außen, von sich weg gedreht im Bett liegende Paar auf dem düsteren Cover und die kraftlosen Songs bedrücken zuerst und machen keinen guten Eindruck. Erst nach und nach, mit jedem Hördurchgang gewachsen, macht sich die Dichte und Lyrik der Musik offenbar. Jede Aggressivität ist aus der Musik von Jan Schelhaas, der einst in Caravan und Camel spielte, gewichen. Stattdessen ist eine nachdenkliche, melancholische Note ins Spiel gekommen. Die sanften Songs sind gar nicht so weit von seinen einstigen Bands entfernt. Symphonische und jazztriefende Ideen füllen die Kompositionen aus. Die aber sind ambient aufgebaut, tragen keine Spur Rock in sich. Was Rhythmus ist, kommt aus dem Computer, ist nicht billig und schlicht programmiert, aber seicht und eingängig, lädt zum Tanzen oder Kuscheln ein und ist keine besondere Herausforderung für den geneigten Rock-, speziell Canterbury-Fan. Obschon alles, was aggressive Rockmusik ausmacht, hier fern ist, bleibt doch diese melodische und harmonische Extravaganz und grandiose kompositorische Sprache, die Bands dieser einzigartigen Szene so auszeichnet. Jan Schelhaas spielt Keyboards, hat sämtliche Songs komponiert und arrangiert, aufgenommen, gemixt und gemastert, das Schlagzeug programmiert und die Gäste eingeladen: Jazzrocker Doug Boyle spielt atmosphärische und Lead-Gitarre, Jimmy Hastings Flöte und Sopransaxophon. Die meisten Songs haben diese feine Canterbury-Note, die jazzigen Läufe, einfallsreiche, tolle Gitarrensoli, aber eben auch sehr sanfte, ins Kitschige reichende Keyboardsounds. Da der Rhythmus so weich und eingängig ist, und Jan Schelhaas Gesang stets diese unglaubliche Seichtheit hat, macht sich eine erwachsene, angegraute Stimmung breit. Wer mit der Canterbury-Szene viele Geburtstage feierte und heute gern im weichen Wohnzimmersessel sitzt, wird diese kuscheligen, nostalgischen Klänge womöglich lieben. Wer auf Rockmusik steht, darf das gewiss nicht blöde Album getrost vergessen und hört sich lieber frühe Caravan-Platten und Mittsiebziger Camel-Jazzrock an.

Volkmar Mantei



© Progressive Newsletter 2008