CD Kritik Progressive Newsletter Nr.63 (09/2008)

Fauns - LeafFall
(40:22, Privatpressung, 2008)

Eigentlich würde ich gerne wissen wollen, wieviel der Progmusik-Interessierten diese Scheibe beim ersten unvoreingenommenen Hördurchlauf der verkehrten Nationalität zuordnen würden. Denn diese folkdurchträngte, progrockende Musik mit dezenten Metalanteilen hätte ich eindeutig dem Skandinavisch-Isländischen Kontinentalbereich zugeordnet. Dabei handelt es sich um eine schon zu Anfang der 90er Jahre in West-Berlin gegründete Band. Ihre Inspirationen zum Musizieren haben sie schon immer aus mystischen und fantastischen Geschichten gewonnen, woher auch ihr Name stammt (siehe Bandbeschreibung). Wesentlicher "Inspirator" ihrer Kunst ist die erfundene Welt von Professor J.R.R. Tolkien, wodurch meine "kontinentale Fehleinschätzung" dann doch etwas verständlich erscheint. Auch der musikalische Einstieg in die CD mit dem kurzen, männlichen A-Cappella Gesangsstück "Chant" lässt schon fast keltische Tradition vermuten. Aber schon auf "On Misty Shores" wird man von "lieblichen" Metalriffs empfangen, die aber direkt in entspannte und melodiöse Töne übergehen. Eine schön gespielte akustische Gitarre kommuniziert mit melodiösen Keyboardtönen, wird unterbrochen von den schon bekannten Metallriffs, um dann die elfenhafte Stimme von Maja Langholz, die auch Flöte spielt, in einer ruhigen Klanglandschaft ertönen zu lassen. Automatisch kommen bei mir die Assoziationen, dass es sich bei der Sängerin um ein Wesen aus Lothlorien handeln muss. Der Song entwickelt sich zu einer ansprechenden und abwechslungsreichen Komposition, wobei mehrstimmiger Gesang, geschickte Rhythmuswechsel und einfühlsames E- und A-Gitarrenspiel zum Facettenreichtum beitragen. Bei diesem Stück muss ich auch zum erstenmal an die schöne Scheibe der fränkischen Band Carol Of Harvest von 1978 denken, die durch ausgezeichneten Frauengesang und gekonnte folkorientierte Progmusik geglänzt hatte. Allerdings klingt Maja Langholz lieblicher und nicht so stimmgewaltig wie damals Beate Krause. Auf "The Sprig Within Her Hair" zeigt dann die zweite Stimme der Band ihre Wesensart, die von Gründungsmitglied und Gitarrist Jan-Peer Hartmann ertönt. Hier geht es dann mehr traditionell folkloristisch zu, wobei der keltisch angehauchte männliche Gesang mir nicht so behagt. Allerdings wird auch im Duett mit Frau Langholz gesungen. "Dead Winter Sleep" ist dann ein schöner melancholischer Song, der von Flötenspiel, dem elfenhaften Gesang, feinem Wechselspiel zwischen akustischer und elektrischer Gitarre, kleinen Metalleinlagen und einer eingängigen Melodie gekennzeichnet ist. "Tauriel" bietet uns wieder lyrisch-akustische Töne, wobei Jan-Peer Hartmann in der Sprache J.R.R. Tolkiens singt (meine starke Vermutung) und von stimmig eingesetztem Violinenspiel begleitet wird. Elbin - irgendwo musst Du doch hier stecken ;-) "As Her Autumn Song Called" lebt wiederum vom Zwiegesang von "Elb" und "Elbin", fröhlichen Flötenklängen und einer mehr folkloristischen Melodie. "Lasselanta" ist ein kurzes Instrumental mit Flöte und akustischer Gitarre. Der letzte Song "Cuiviénen" beginnt auch wieder akustisch-melodiös mit dem Gesang von Maria Langholz. Nach gut zwei Minuten kommt der Wandel zum Prog-Song mit E-Gitarre, Keyboarduntermalung, dezenten Metalklängen und einigen Rhythmuswechseln. Die Flöte darf auch wieder ertönen und somit schließt dieses Werk mit einer ähnlich abwechslungsreichen Komposition, wie es begonnen hat. Da die Musik auf "LeafFall" absolut eigenständig rüber kommt, können Vergleiche zu anderen Bands nur hinken. Allerdings bin ich bis auf Carol Of Harvest auch schon mal von der Atmosphäre an die finnischen Tenhi und die finnischen Folkprogger von Viima erinnert worden. Obwohl ich kein vordergründiger Fan dieser Art von Musik bin, bereitet mir diese Scheibe doch Freude, so dass ich den Folkproggies mit Affinität zu Tolkienschen Geschichten unbedingt die Myspace Seite der Band empfehlen möchte. Ach übrigens - wie bei Eigenproduktionen ja oft festzustellen, handelt es sich um eine ausgezeichnete Produktion mit feinstem Klang.

Wolfram Ehrhardt



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