CD Kritik Progressive Newsletter Nr.63 (09/2008)
Trank Zappa Grappa in Varese? - More light
(69:40, Fazzul Music, 2008)
"Mehr Licht!" So ruft die Band im Studio den Tontechnikern zu, dann greifen sie wieder zu den Instrumenten und rocken, was das Zeug hält. Saxophonist Markus Stauss gibt nur einen Kommentar zum neuen Album der abgekürzt unter dem Zungenbrecher TZGIV agierenden Band ab: "Laut hören! Ist ein Rockalbum..." Als weitere Mitglieder sind Michel Delville (g, g-synth), Damien Champion (b, acc-b) und Laurent Delchambre (dr, perc) von der Partie. Die eine Hälfte der Band, Delville und Delchambre, arbeitet hauptsächlich in ihrer eigenen Band The Wrong Object im heimischen Belgien. Der Schweizer Markus Stauss ist in so vielen Ensembles und Projekten aktiv geworden, dass die Aufzählung die Grammatik sprengt, Überfall und Spaltklang sind vielleicht seine bekanntesten Bands. Jazzbassist Damien Champion kommt auch aus Belgien, er ist Leiter von Visite à Gainsbourg und Mitarbeiter in Nom dî Jazz. "More Light" ist ein reines Kein-Zappa-Album. Markus Stauss hat die 9 Songs komponiert. Aber zwischen den Noten steckt viel Zappa. Und die Noten sind längst nicht nur komponiertes Material. TZGIV nimmt die geschriebenen Grundstrukturen der Songs zur Brust und spaltet sie in freier Improvisation rasant auf. Wenn so ein Stück beginnt, ist es tatsächlich Rock, was da aus den Boxen kommt. Und es rockt heftig. Dabei jedoch bleibt es nicht. Das technisch überaus versierte Quartett nimmt jeden Song fein säuberlich auseinander und fügt lebhafte, vitale und äußerst freie Improvisationen ein. Das ist dann kein Rock mehr, geht gleich an Jazz vorbei in die über Zappas Universum schwebenden Wolken und zelebriert genüsslich lange Auseinandersetzungen zwischen Gitarre und Saxophon, Bass und Perkussion. Partiell, wie in "OG", klingt das gar lustig. Zumeist bestimmen freakige, ausgeflippte Improvisationen die Songs. Es wird ordentlich schräg und abgefahren, wenn "Perpetuum", "OG" oder "For Jean" dazu ansetzen. Der Jazz-Rock'n'Roll "More memories" hingegen tendiert mit seinem feinen Basssolo zu modernem Jazz und "Surinam" entpuppt sich als esoterische Ballade (in der schließlich auch alles "Abgefahren"" passieren kann). TZGIV ist die perfekte Schnittstelle zwischen Markus Stauss eigener Musik zwischen freier Improvisation und Jazzrock sowie The Wrong Object, die Jazzrock auf ihre eigene Weise (fast) ganz in Zappa aufgehen lassen. Zappa findet hier nicht in seiner eigenen Sprache statt, sondern in seiner Inspiration auf die beteiligten Musiker. Rock und Jazz gehen in kraftvollem, gemeinsamem Ausdruck in den 9 Songs auf, wobei der kraftvolle, energische Ton von Markus Stauss mir ebenso gut gefällt wie der von verhalten bis metallisch reichende von Michel Delville. Tolles Album voll Kraft und Dynamik, mit viel Jazz im vitalen Rock und enorm verspielter Improvisationslust!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2008