CD Kritik Progressive Newsletter Nr.63 (09/2008)
Abel Ganz - Shooting Albatross
(66:10, Abel Music, 2008)
Sie sind wieder da und laufen zur Hochform auf: Abel Ganz legen auf ihrem aktuellen Album "Shooting Albatross" eine gewaltige Schippe oben drauf. Die Genesis / Marillion Neoprog-Schule schimmert zwar immer noch durch, doch vernachlässigt man diese Spielweise mehr denn je, und lässt mit entspannt schrammelndem Retroprog sowie in etwa gleich verteiltem Art- oder Folkrock, weitaus mehr Eigenständigkeit und Abwechslung mit einfließen. Gleichzeitig wurde auch das Soundkostüm endlich ins Positive gewandelt - sauber und druckvoll schallt es aus den Boxen. Entsprechend erwachsen klingt ihre Musik. Track 1 - Looking For A Platform (15.06): Eröffnet mit einem gefühlvollen Akustik-Folk-Set aus 12-Saiten Gitarre, Mandoline, Bouzouki und Flöte, bevor die Schotten über jubilierende E-Gitarren in den typischen Genesis-Harmonien versinken. Aber wie bereits erwähnt, haben Abel Ganz ein wenig losgelassen, und vereinen auch gerne dezente Yes-Improvisationen oder Stilelemente wie z. B. klassisches Piano. Größter Schwachpunkt ist Hugh Carterïs Gesang, klingt zwar stark nach Peter Gabriel, doch seine Stimme gelangt schnell an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und wirkt auf Dauer zu beiläufig und brüchig. Track 2 - So Far (23.31): Nicht nur wegen des Gesangs von Alan Reed (Pallas) der Höhepunkt des Albums. Musikalisch wird am gleichen Rezept wie zuvor festgehalten, allerdings fügt man zusätzlich noch die eine oder andere interessante Note hinzu. Streicherklänge, rockgetränkte E-Gitarren, oder verzerrte Gesangsrefrains erweitern das Spektrum und halten den Song auch ohne hektisches Gewirbel unheimlich spannend. Letztendlich wird das Stück mit neun Musikern und sechzehn verschiedenen Instrumenten abgeschlossen. Track 3 - Sheepish (12.55): Hier bekommt man zu Beginn den Eindruck, als wollten Abel Ganz geradlinigen Artrock abliefern. Die Idee wird aber bald eingeschläfert und über die langen Instrumentallinien entwickelt sich ein etwas blutleerer und zu langgliedriger Folk / Prog-Song. Man geizt mit den Reizen von zuvor, und leider greift auch wieder Hugh Carter ans Mikrofon. Dominiert wird "Sheepish" von druckvollen sowie singenden Gitarrenläufen. Track 4 - Ventura (14.38): Ein älterer Song aus der CD "Back from the Zone" wurde neu eingespielt bzw. durch den vermutlich in Zukunft fest angestellten Sänger Mick McFarlane auch neu eingesungen. Er singt unspektakulär aber dennoch ordentlich und passt sehr gut zur Musik von Abel Ganz. Ein sympathischer, lockerer, balladenhafter Track in bester Genesis-Tradition, der durch die parallel gespielten Akustikgitarren eine gehörige Portion Spielfreude erkennen lässt. Ob es nun an den vielstimmigen Gesangsmelodien, an der sanften Spielart oder an dem gleichermaßen hohen Anteil an Akustikgitarren liegt? Irgendwie bekomme ich als Vergleich die Band Moon Safari nicht mehr aus dem Kopf. Warum allerdings das Stück bei der Spiellänge von 8:30 eine Pause von ca. 90 Sekunden einlegt, und dann noch mit einem verbindungslosen Part weitergeführt wird, bleibt wohl ein Abel Ganz-Geheimnis.
Andreas Kiefer
© Progressive Newsletter 2008