CD Kritik Progressive Newsletter Nr.62 (05/2008)

Splinter - Dreamers
(55:34, Privatpressung, 2008)

Um gleich mal zwei Klischees aufzutischen: oftmals wirft man holländischen Bands vor, dass sie in zu seichten melodischen Gewässern waten (in den 90ern war das holländische SI Label nicht ganz unschuldig an diesem Vorurteil). Zudem wirkt bei den europäischen Bands im Progbereich manches zu verkrampft, zu kopflastig, schaffen es meist die amerikanischen Bands, mit Lockerheit zu überzeugen. Doch bei Splinter sieht die Sache in beiderlei Hinsicht ganz anders aus. Der holländische Fünfer hat nicht einfach zu schnell sein Debüt aufgenommen, sondern fast schon anachronistisch wurde seit 2002 zuerst an diversen CD Demos am eigenen Format gefeilt. "Dreamers" ist nun die zusammen gedampfte Quintessenz dieser Demos, die nicht nur progressiv verspielt, sondern auch recht lässig und unheimlich frisch aus den Boxen kommt. Als Produzent sorgt Jonas Reingold (u.a. Flower Kings) für einen kraftvollen und prägnanten Sound, mit einer Bonus DVD in der Special Edition, sowie einem "Dream Code", der einem Zugang zu exklusivem Material auf der Website der Band ermöglicht, wird das Debüt gleich als umfangreiches "Rund-um-sorglos" Paket unters Volk gebracht. Nun gut, mit dem Coverartwork hat man nicht gerade den Vogel abgeschossen. Zwar wird glücklicherweise auf irgendwelche Feen, Elfen, Zwerge und Fantasy Brimborium verzichtet, aber das schaut doch eher nach chartverdächtiger Boygroup, denn nach schwer verkäuflicher Progband aus. Aber vielleicht sollen ja auch die weiblichen Käufer angelockt werden... Schon oft wurde in Kritiken bei Splinter die Umschreibung als die holländischen Spock's Beard gewählt, doch damit macht man es sich zu einfach. Zwar kann man den Jungs ein feines Händchen für gute Vokalharmonien, griffige Melodien und locker eingestreute Instrumentalpassagen bescheinigen, doch vor allem kommt ihre Musik fröhlich-sympathisch, ohne den mahnenden Zeigefinger "schaut-her-was-wir-technisch-auf-dem Kasten-haben" aus den Boxen, hat alles einen ansteckenden Gute-Laune Faktor. Dabei sind Splinter aber bei Leibe keine platte Spaß-Combo. Bei ihnen findet man genauso dramatische Momente, leise feinfühlige Zwischenpassagen und moderaten Bombast, was aber dennoch unangestrengt und passend zum Gesamtkontext wirkt. Kurzfristig sorgen ebenso ein paar härtere Riffs für den nötigen Tritt in den Hintern. Splinter haben für sich einen gut austarierten Mix aus Rock- und Prog Elementen gefunden, ohne dabei auf allseits bekannte und zu offensichtliche Versatzstücke aus Neo bzw. Retro Prog zurückgreifen zu müssen und zu wollen. Dennoch wirken die Arrangements weder banal, noch austauschbar, sondern man fühlt sich gerade durch eingängige Harmonien und flüssig eingestreute Breaks sofort "zu Hause". Damit haben Splinter definitiv die Chance, im melodischen Progressive Rock Bereich für jede Menge Aufregung zu sorgen und sind damit eine Empfehlung wert.

Kristian Selm



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