CD Kritik Progressive Newsletter Nr.62 (05/2008)
Quikion - Kaprico
(53:40, Poseidon / Musea, 2008)
Ihre Musik ist so unjapanisch, wie Musik nur unjapanisch sein kann. Und doch ist es kein Wunder, dass die Klänge dieser CD auf japanischem Boden gediehen sind. Haben japanische Künstler es schon etliche Male gezeigt, dass sie ein besonderes Faible für abgefahrene Musik haben, die sie aus anderen Welten, ähm, importieren, und sodann in eigenem Geist neu interpretieren. Quikion spielen akustische Folklore. Die technisch herausragende, 1992 in Tokio gegründete Band legt sich dabei nicht auf herkömmliche Lieblichkeit oder allgemein bekannte Schlichtheit fest, sondern zelebriert ihre kunstvollen Songs mit Inbrunst und tiefer Hingabe. Die sanften Songs klingen einfach, sind eingängig und berauschend, von klarem Klang und in ihrem kraftvollen Arrangement leicht wie eine Sommerbrise. Hier trifft schlicht eine Beschreibung zu, die ohne weitere Aussagekraft ist, und doch alle Songs bestimmt: Schönheit. Quikion spielen traditionelle Songs auf wenig traditionelle Weise, nehmen sich nicht ein Stück aus der japanischen Folklore, sondern holen sich ihre Ideen aus Europa. Beweisen dabei ein Händchen für Ausgefallenes und ein zweites für ihre ganz eigene Sicht der Dinge. Akkordeon, Gitarre und Konzertina sind die tragenden Instrumente des Trios, ebenso tragend die Stimme von Bandchefin Oguma Eiji. Weitere Instrumente der mit Totoki Yukiko und Sasaki Emi vervollständigten Band sind Bouzouki, Glockenspiel, Pianika und diverse (kleine) Perkussion. Die deutsche Seele tut sich bekanntlich schwer, ihre eigene Folkloretradition leicht und kunstvoll zu spielen, legt ihre Arrangements gern in Butter und Marmelade ein und verkleistert die Sinne neugieriger Hörer. Ein Tipp für die Schlagerheroen der Volksmusik: Tut euch, Leute, mal das "Chanconetta Tedescha" von dieser CD an und wacht aus dem sumpfigen Traum auf. Leichtigkeit, Lieblichkeit, Herzlichkeit und große künstlerische Kraft sprechen aus dieser zarten, dynamischen Note. Songs aus Norwegen, Bulgarien, der Türkei sind auf der CD, viele, die nicht einer bestimmten Tradition zugeordnet sind. Die leisen und lauten Töne, forschen Motive, melancholischen, kinderliedartigen oder mittelalterlichen Stücke haben einen ganz eigenen Reiz, der in der Intensität der Einspielung liegt, der Innigkeit, mit der Quikion diesen ihnen fremden Stücken begegnen. Keine befremdende Herausforderung für europäische Ohren, eine mit verblüffendem Ausgang. Diese Spielart von Volksmusik weist potentielle Fans nicht angewidert und erschreckt ab.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2008