CD Kritik Progressive Newsletter Nr.62 (05/2008)

Panzerballet - Starke Stücke
(47:50, The Act Company, 2008)

Zum Jahresende trudeln immer dieselben Fragen ein: bestes Konzert, beste CD, größte Überraschung, Lieblingspolitiker, bunteste Kuh, etc. - und dann gilt es, Revue passieren zu lassen...Wer sich nur 10 CDs im Jahr zulegt, hat kein Problem, sich zu entscheiden. Blöd ist es für Diejenigen, die mehr als 50 Zuwächse im heimatlich geputzten Wohnzimmerregal haben, blöd auch für die Bands, die bereits zu Anfang des Jahres veröffentlichen. Für Panzerballett ist jedoch nix blöd, außer Zickenterror, aber der wird einfach umgedreht. Dazu später mehr. "Starke Stücke" heißt die neue CD der Metallballerinen ganz zu Recht. Die 10 Songs sprühen nur so vor Überraschungen, witzigen Wendungen und irre abgekrassten instrumentalen Grandiositäten. Die schönste, weil verblüffend überraschende und einfach überaus gelungene Passage steckt schon im ersten Track "Pink Panther". Erst kommt der überaus harte Eingangsteil, sodann die, ja, wie nun, gigantische (?), (!) Instrumentalvariation, in der die Band sich die Freude der Abgekrasstheit (davon gibt's mehr) mit Verve leistet. Doch dann erst: wenn der CD-Player genau 3:30 Restzeit anzeigt und das Arrangement von Metal zu Jazz wechselt: das klingt so, wie sag ich's: logisch, als gäbe es keine Überlegung, es anders auch nur machen zu wollen, oder können. Dieser Wechsel ist perfekt. Schlicht perfekt. Nicht weniger. Nach Henry Mancini folgt die erste von drei Jan Zehrfeld-Kompositionen. Der Mastermind der Jazz-Metaller und Plastiklanghaarträger hat nur drei eigene Songs an Bord. Macht aber nix, denn eigentlich sind alle Songs von ihm. Die Kompositionen sind zumeist berühmte Rocksongs. Etwa "Smoke on the water" von Deep Purple, "Wind of change" von den Scorpions (das hier klingt, als stamme es von Klaus Doldingers Passport), "Birdland" von Weather Report, "Thunderstruck" von AC/DC und "Paranoid" von Black Sabbath. Keines der Stücke hat auch nur mehr als die Grundstruktur als Restparallele zum Original, Jan Zehrfeld und Panzerballett machen alles neu, noch vor dem Frühling. Dabei haben sie einige gute Hilfe in Anspruch genommen, so sind als Gäste Ulf Wakenius, Peter O'Mara und Nguyên Lê mit ihren Gitarren auf das Schlachtfeld gestiegen. Abgesehen von aller Abgekrasstheit, von der es angenehm viel gibt (um es noch mal zu sagen...), aller instrumentalen Komplexität und abgefahrenen Ideenvielfalt, die nichts Althergebrachtes transportiert, sondern einen ausdrucksstarken eigenen Weg findet, sind die Songs auch noch frisch wie lecker Kuchen, und witzig, kein instrumentaler Witz, sondern instrumental witzig. Das hätte Frank Zappa gewiss wohl gefallen. Würde der gute Mann noch leben, wer weiß, ob er Panzerballett nicht zur gemeinsamen Tätigkeit kontaktiert hätte. "Smoke on the Water" als Jazzrocker, "Wind of change" als Jazzballade, "Birdland" natürlich als Metalkomplexkracher, ebenso "Pink Panther", "Paranoid" als melancholische Gitarrennote - einzig "Thunderstruck" ist nicht komplett umgedreht, dennoch nicht mehr wieder zu erkennen. Braucht auch nicht, klingt jetzt viel besser. Mit Jazzgitarrensolo. Über diese gerade einmal 48 Minuten lange CD gibt es viel zu sagen. Macht aber mehr Laune, sich dieses wunderbare Scheibchen anzutun, laut anzutun! Das belebt, ist gut für den Kreislauf und für das Gemüt. Nicht nur im kalten Winter. "Young German Jazz" steht auf der Hülle. Klingt ganz so, als lauerten da mordsinteressante Musiken, die nur auf Musikhandwerker warten, intoniert zu werden. Wer soviel Phantasie wie Jan Zehrfeld, nein Panzerballett, die komplette Band hat, als da sind: Jan Zehrfeld (g), Andreas Dombert (g), Gregor Bürger (sax), Florian Schmidt (b) und Sebastian Lanser (dr), und soviel Mut, sich nicht vom komplexen Metal wegdrängen zu lassen - erst die knallfrische Verbindung aus hartem Metal und abstraktem Jazz in dieser komplexen Extremenergie macht die CD so überaus zum Genuss - und vom Jazz auch nicht, der muss (die müssen) ins Rampenlicht. Also Leute, kauft die CD! Ach ja, da war ja noch was. Titel Nummer 9: "Zickenterror". Jan Zehrfeld hat Stimme, aber längst nicht so viel wie Conny Kreitmeier. Ein leckeres Teil! Irgendwas zwischen Metal, Jazz, Funk, Nina Hagen, Kreissäge und der Erkenntnis, dass diese Frau das letzte Wort hat. Gar nicht schlümm(!), dass der gesprochsungene Text erst nach und nach ins Bewusstsein sickert, so schnell, wie er gesungen ist. Muss man dieses gute Stück halt mal was öfter hören. Also Leute: kaufen. Höret & wisset, dass das Leben einen Sinn hat. Hier ist viel positive Energie und manche Überraschung. Was gibt es besseres für die Gesundheit. Muss man haben! Ist das Album des Jahres 2008.

Volkmar Mantei



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