CD Kritik Progressive Newsletter Nr.62 (05/2008)
Nucleus Torn - Knell
(56:02, Prophecy Productions, 2008)
Vier Songs, Titelnamen "I", "II", "III", "IV", ein wohl durchdachtes Spiel mit laut und leise, emotionale Wechsel zwischen fragilem Minimalismus und voller metallischer Wucht, sowie meist eine sehr differenzierte akustische Untermalung mit kammermusikalischem Instrumentarium. Als leichte Kost und einfach einzuordnen kann man "Knell" keinesfalls bezeichnen. So macht es an dieser Stelle durchaus Sinn, etwas länger aus dem Infozettel zu zitieren, denn dort wird die ganz eigene Welt der Schweizer Formation blumig, aber doch irgendwie trefflich umschrieben: "Tote Landschaften, großen Weiten, wüste Dickichte, felsige Abgründe. Ein Fluss, ein Hochtal, verlassene Ruinen und einsame Statuen. Dazu das Flüstern des kalten Windes - so kann sich der Hörer die Kulisse von "Knell", dem zweiten Album des Schweizer Ensembles Nucleus Torn, vorstellen." "Knell" ist vor allem von einer bedrohlichen, düsteren Atmosphäre durchzogen. Doch trotz tiefgründiger Melancholie entsteht hier kein fortdauernder, jammernder Weltschmerz, sondern kurzfristige Aggressivitätsausbrüche sind mehr als ein befreiender Schrei aus der Dunkelheit. Doch vor allem muss man sich dieses Album langsam erarbeiten, hier wird dem Hörer nichts geschenkt. Gerade beim ersten Mal erzeugen die extremen Lautstärkewechsel immer wieder ein Aufschrecken. Trotzdem entstehen durch den interessanten, kontrastreichen Spagat zwischen klassisch angehauchten Passagen, sowie progressivem Death Metal immer wieder neue Spannungsmomente. Auf der anderen Seite folgen die ambitionierten Songmonolithen einer nicht immer nachvollziehbaren Logik bzw. stoßen beim Hörer auf gewisse Verständnisprobleme. So entstehen zwar kurzfristig faszinierende Augenblicke, entfalten sich wunderbare Kleinodien der Traurigkeit, die sich aber als Ganzes nicht so einfach erschließen lassen wollen. Trotz aller Originalität und überzeugender Präsentation bleibt somit irgendwie ein Fragzeichen im Raum stehen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2008