CD Kritik Progressive Newsletter Nr.62 (05/2008)

Moon Safari - [blomljud]
(51:35 + 52:20, Privatpressung, 2008)

Es hat dann doch noch eine ganze Weile gedauert, bis das neue Werk der jungen Schweden endlich veröffentlicht wurde. Im Prinzip stand das komplette Material bereits vor knapp einem Jahr, aber aufgrund diverser Verzögerungen war es dann erst im März 08 so weit. Ihren auf dem Debütalbum "A doorway to summer" bereits präsentierten Stil hat der Fünfer aus dem hohen Norden Schwedens nun auf dem Doppelalbum weiter perfektioniert. Was Moon Safari von den allermeisten Progbands abhebt, sind die ausgefeilten Gesangsarrangements, und selbst diejenigen, denen ihre Musik zu zuckersüß ist, dürften kaum ernsthaft abstreiten wollen, dass MS in dieser Beziehung eine besondere Stellung in der Progszene einnehmen - ob man es jetzt mag oder nicht. Diese Jungs können durch die Bank hervorragend singen, und so können sie es sich auch locker leisten, das Doppelalbum mit einem A Cappella Titel zu eröffnen. Nicht nur Leadsänger Petter Sandstroem überzeugt mich auf der ganzen Linie, auch die übrigen Vier liefern erstklassige Gesangsarbeit ab, wobei Keyboarder Simon Akesson (der Mann mit der hohen Stimme) hauptverantwortlich für die Vokalarrangements zeichnet. Es ist nicht verwunderlich, dass in Rezensionen als Anhaltspunkte Namen wie Beatles, Beach Boys, Wise Guys etc. genannt werden - was den Gesang betrifft. Also nicht gerade Prog-Dinosaurier. Mir fällt als Referenz höchstens noch der Longtrack "Circumstances" vom Capability Brown Album "Voices" ein. Dass dieses Album im Progressive Newsletter besprochen wird, liegt an dem erfreulichen Umstand, dass die instrumentale Arbeit voll und ganz im symphonisch-progressiven Genre eingebettet ist. Die Tastenbearbeitung ist für mich ein Herzstück der Moon Safari Klangwelt. Hier wird gewaltig die Retroschiene gefahren, Mellotron in gesamter Bandbreite, voller Hammondorgelsound, lyrische Pianopassagen und geschmackvolle Synthispielereien. Die Art und Weise des Keyboardeinsatzes zeigen eine gewisse Nähe zu den Flower Kings. Teils bombastisch, aber nie überladen - keine Überraschung also, dass Tomas Bodin, der Produzent ihres Erstlings, in den Liner Notes genannt wird. Ich liebe diesen Keyboardsound! In Sachen Saitenbearbeitung spielen auch auf [blomljud] die akustischen Gitarren eine wesentliche Rolle. In manchen ruhigen Passagen erinnert es mich an Genesis (à la "Entangled" oder "Ripples"), selbst seltene Anklänge an Yes sind zu hören. Einer meiner definitiven Favoriten ist - ausgerechnet - der einzige Instrumentaltrack. Hier haben sie einen absoluten Ohrwurm hingezaubert. Instrumental - Ohrwurm?! Jawohl, das geht natürlich. Hier zeigt das jüngste MS-Mitglied, Pontus Akesson, der Bruder des Keyboarders, welcher Ecke er am ehesten zuzuordnen ist: keine harten Riffs, sondern eine jubilierende E-Gitarre in (positiv gemeint) allerbester Neoprog-Manier greift das Hauptthema auf und lässt dies in ungeahnten Höhen schwelgen. Das ist einfach hinreißend gemacht. Dieser Titel - was mir erst nach mehreren Hördurchgängen auffiel - erinnert mich übrigens schwer an die frühen Tribute, Landsleute der Safaris. Auch die Rhythmusarbeit von Johan Westerlund am Bass und Schlagzeuger Tobias Lundgren ist durchaus erwähnenswert, wobei Letzterer in einigen Passagen, in denen er mal richtig Gas gibt, zeigt, was alles möglich ist. Die zweite CD startet mit zwei Songs, die deutlichen Folk-Touch aufweisen und recht flott daher kommen. Hier sind auch Gastmusiker an Flöte und Fiddel eingebunden. Das Experiment darf getrost als gelungen bezeichnet werden. Ein weiterer Gastmusiker, nämlich ein gewisser Anders Pettersson, sollte auch noch Erwähnung finden, denn er erweitert den Moon Safari Sound um das Element Pedal Steel Gitarre. Das bringt gelegentliches Westcoast-Feeling mit sich, driftet aber nicht zu offensichtlich ins Countrymässige ab, sondern wird durchaus sinnvoll und gut dosiert eingesetzt. Nach einem sehr sparsam instrumentierten Titel, der mich ein wenig an Stackridge erinnert, folgt ihr Magnum Opus, das knapp 32-minütige "Other half of the sky". Hier wird noch mal alles in typischer Safari-Manier geboten, Ohrwurmmelodien, Wechselspiel von ruhigen, akustischen Passagen und auch mal etwas wuchtigeren Arrangements, stets mit der für sie typischen positiven Ausstrahlung. Und natürlich wird - wie es sich für einen Longtrack-Klassiker gehört - gegen Ende auf ein furioses Symphonik-Finale hingearbeitet. Klar, 20 Minuten hätten es vermutlich auch getan, aber so hat man eben nicht nur 20 Minuten schöne Musik am Stück, sondern 30. Bei aller Freude über die faszinierende pure Schönheit dieses Albums muss schon angemerkt werden, dass der heile Welt-Faktor ausgesprochen hoch ist und für manch einen schon eine leichte Überdosis darstellen mag. Natürlich bin auch ich nicht immer in der Stimmung, ein derart auf positive Stimmung getrimmtes Album zu konsumieren, aber auf welches Werk hat man schon in jeder Lebenslage Lust. Ich sehe [blomljud] als das, was es für meine Begriffe schlichtweg ist: ein sehr, sehr schönes Album!

Jürgen Meurer



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