CD Kritik Progressive Newsletter Nr.62 (05/2008)
Versus X - Primordial ocean
(73:01, Musea, 2008)
Die Alben von Versus X gehören nicht gerade zu den einfachen Kalibern. Die Songs bewegen sich (fast) ausschließlich im Longsongbereich, die Arrangements warten nicht unbedingt mit leicht durchschaubaren Strukturen und sofort eingängigen Melodiemustern auf, man muss sich deshalb jedes Album neu erarbeiten. Aufgrund der ausufernden, bisweilen recht komplex strukturierten Songs benötigt die Band aus Frankfurt einfach die entsprechende Zeit für ihre Alben, wobei acht(!) Jahre seit dem letzten Studiowerk "The turbulent zone" sicherlich nicht so eingeplant waren. Ein Grund sicherlich: die Umbesetzung der Rhythmusgruppe, wobei auf dem aktuellen Album noch Uwe Völlmar am Schlagzeug zu hören ist, der mittlerweile aus beruflichen Gründen die Band verlassen hat. Bis auf ein kurzes Pianostück bewegen sich auch beim aktuellen Output alle Songs jenseits der 15 Minuten Marke, das das Album abschließende "Into the vast unknown" bringt es sogar auf knapp 24 Minuten. So bleibt genügend Zeit, den Songs reichlich Entwicklungsspielraum zu geben, was besonders die beiden Solisten (Ekkehard Nahm an diversen Keyboards und Arne Schäfer an der Gitarre) reichlich ausnutzen. Geprägt von meist sinfonisch elegischem Spiel mit deutlichem Retrotouch (besonders bei den Tastensounds, mit einem Spektrum von Orgel, Mellotron, wie auch Pianoklängen), reicht das spielerische Moment hinüber bis zu schwungvollen Augenblicken, durchdrungen von komplexen Zwischenparts. Genauso bleibt Zeit für langsame Dynamiksteigerungen und gut ausgewogenen Bombast an der richtigen Stelle. Wenn man Kritik anführen möchte, so zielt dies am ehesten darauf, dass der Stil von Versus X von einer gewissen Ernsthaftigkeit geprägt ist und hier doch mehr der Kopf, denn der Bauch angesprochen wird. Dass man für Fans und Kritiker mit "Primordial ocean" aber genau die richtige Dosis und Mischung gefunden zu haben scheint, dokumentiert u.a. eine überschwängliche Kritik bei den belgischen Kollegen von Prog-Résiste, die das Album gleich mal zur besten CD der letzten Monate kürten, sowie die Wahl zur CD des Monat März auf den Babyblauen Seiten (www.babyblaue-seiten.de). Und damit liegen sie keineswegs falsch, denn gerade die vielen ausladenden Instrumentalteile sind überaus spannend und variationsreich ausgefallen, überzeugen nicht durch Technik, sondern emotionales Spiel.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2008