CD Kritik Progressive Newsletter Nr.61 (01/2008)

Hugh Hopper - Numero D'Vol
(64:23, Moonjune Records, 2007)

Zu Hugh Hopper fällt mir vor Soft Machine seltsamer Weise zuerst stets Isotope ein. (Wo das Herz voll von ist...) Davon jedoch ist der Bassist seit langem weit entfernt. Auf "Numero D'Vol" pflegt der stets mit buntem Hemd und bunter Kappe auftretende, längst weißhaarige und konzentriert-nachdenklich ins Off blickende Bartträger experimentellen Jazz/Jazzrock, der nicht nur im Titeltrack ungemein wohlige Melancholie und verträumte romantische Stimmung entspannt, dennoch vor, gebremster, Energie und avantgardistischer und äußerst experimenteller Freakigkeit vor allem in Richtung Jazz, aber auch in kernigen Rock nicht zurückschreckt und sich nie müde oder ausgebrannt zeigt. Aus den Stücken, die Hopper (el-b, loops) mit Simon Picard (sax), Steve Franklin (keys) und Charley Hayward (dr) unter soundtechnisch brillanten Bedingungen eingespielt hat, sprechen große Kreativität und handwerklich geübte Inspiration. Die 11 zwischen zweieinhalb und neuneinhalb Minuten langen Songs wurden im Delta Studio in Canterbury, UK, eingespielt, was einen passenden Namen ins Geschehen bringt. Die Songs sind deutlich rockbezogener als vieles, was Hopper in seinen diversen Engagements gespielt hat, viel weniger rocktypisch jedoch, was Isotope oder Mittsiebziger Soft Machine an grandiosem Musikmaterial produzierten. Das angejahrte Quartett scheint sich die Herausforderung "experimentell" an die Studiowand gesprüht zu haben. Zwar ist die Lautstärke niemals wirklich im herausfordernden Bereich drohend zu spüren, aber die ausgeflippte und schräge Ausarbeitung der von Hugh Hopper komponierten Tracks lässt keine Wünsche offen. Alle vier Musiker, so klingt es, spielen ganz entrückt ihre eigene Melodie, was zusammen nicht immer als Harmonie zu hören ist. Die abstrakten Läufe sind jedoch, anders als im Freejazz, kein Angriff auf den Hörsinn, sondern ein erstaunlich zurückhaltender und in dieser Freiheit verblüffend fein ziselierter Sinn für originelle und ungewöhnliche Harmonien. Wenn das Werk einer bestimmten Zeit zuzuordnen ist, dann gelingt das am ehesten dem Klang nach, und der Verbindung zwischen Rockdrumming und Jazzmelodieren. Diese Platte könnte auch 1977 eingespielt worden sein, jedoch nicht in den popbetonten, musiktoten Achtzigern. Welch Glück, dass abstrakte Musikkunst zwischen Jazz und Rock heute seine ganze ungebremste Vitalität ausdrücken und abstrakte Energie freilassen kann, dank Hugh Hopper und seinen kongenialen Partnern. Unbedingt reinhören!

Volkmar Mantei



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