CD Kritik Progressive Newsletter Nr.61 (01/2008)
John Lees' Barclay James Harvest - Legacy
(77:35, Esoteric Recordings, 2007)
Wer sind denn nun die "wahren", die einzigen Barclay James Harvest? Seit einiger Zeit gibt's die Band doppelt, die eine mit dem Namen von Les Holroyd vorne angestellt, die andere mit John Lees. Ist es da wirklich nur ein Zufall, dass beide Formationen relativ zeitnah jeweils ein Livealbum mit begleitender DVD vorlegen? Das Vermächtnis (="Legacy") der Band, sprich der Rückgriff auf die Songs der Vergangenheit liegt dabei eindeutig in den Händen von John Lees, der zusammen mit Woolly Wolstenholme die Zeit von 1969-1978 aufleben lässt, während Les Holroyd eben auch auf die eher blassen, poppigen 80er zurückgreift ("Live is for living", "Ring of changes"). Interessanterweise gibt es zwischen den aktuellen BJH Livealben nur eine(!) Titelüberschneidung, so dass beide Besetzungen wirklich ihren ganz eigenen Weg gehen. So enthält "Legacy", welches 2006 in London mitgeschnitten wurde, in erster Linie natürlich jede Menge Klassiker ("Mockingbird", "Hymn", "Poor man's Moody Blues", "Child of the universe"), setzt die Band vor allem auf den sinfonischen, immer etwas melancholisch-pastoral klingenden Soft / Progressive Rock der Vergangenheit. Nicht nur optisch können die in Ehre ergrauten Herren sich nicht mehr mit ihrer Vergangenheit messen, denn ihr Klassiker, das 74er Livealbum "Live", bleibt weiterhin unerreicht. Dennoch werden hier die Titel nicht nur einfach lieblos heruntergespielt. Man wagt sich sogar an einige leichte, vor allem klangliche und inhaltliche Modifizierungen (bei "Poor man's Moody Blues" wird mal kurz die Vorlage "Nights in white satin" zitiert, zwei Titel werden mit einem Kornett verfeinert), die zwar für neue Höreindrücke sorgen können, im Original dann aber doch besser wirken. Trotzdem gibt die fünfköpfige Band eine durchaus gelungene Performance ab und die Zeitreise macht wirklich Spaß. Bleibt zu guter letzt nur ein kleiner Schönheitsfehler: dadurch, dass man überwiegend eher auf die ruhigen, besinnlichen Titel setzt, fehlt dem Album etwas die innere Abwechslung. Gerade durch Titel wie das treibende "Medicine man" gelingt es hier zwischenzeitlich mehr Spannung aufzubauen. Trotzdem: ein schöner Nostalgietrip für die "ewig Gestrigen". Die DVD enthält im Vergleich zur CD noch drei weitere Titel ("Harbour", "Cheap the bullet", "Galadriel") und bietet neben dem kompletten Konzert auch noch einen netten Blick hinter die Kulissen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2008