CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)
Ringing Ring - Ancient stone
(60:52, Poseidon / Musea Parallele, 2007)
Wie findet ein Musiker seine Musik? Gewiss kann ein jeder Mensch, der in einem Teil der freien Welt lebt, weltumfassend seine Musik finden, in Partitur, auf CD oder LP, selbst live, so wie Ringing Ring, die japanische Gruppe, ihre authentisch klingende europäische Renaissance-Musik auf Renaissance-Instrumenten nach originalen Partituren spielt. Wer in der Band hatte die Idee, diese Art Musik auf genau diese Art zu spielen? Wie hat derjenige eine ganze notwendige instrumentale Besetzung finden können - in Japan - um mittelalterliche europäische Musik zu spielen? Woher weiß er von dieser Art Musik? Bewundernswert, sich weit entfernt der eigenen klassischen Kultur ernsthaft auszuleben, und vielleicht auch irritierend. Bis auf ein Stück - Track Nr. 12, "Delitae Musicae", stammt vom holländischen Rock-Gitarristen Jan Akkerman (Focus) - sind alle Kompositionen mittelalterlich, wenn die Komponisten auch nicht in jedem Fall bekannt sind, wie die Angabe "Anonymous" meint. Ringing Ring sind 5 Musiker, darunter eine Sängerin, die nur zu geringem Einsatz findet, die wenigsten Stücke enthalten Gesang. Ein Duo, das sich den Namen Irish Maries gegeben hat, ebenso Japaner, ist als Gast in den 19 Stücken aktiv geworden. Renaissance Lute, Baroque Lute, akustische Gitarre, Theorbe, Vihuela, Flöten, Krummhorn, Viola da Gamba, simple Perkussion, irische Flöte und Tin Whistle, Bodhran und irische Harfe sind die Instrumente. Schon erstaunlich, wie original die Songs klingen, wenn teilweise auch originell von Vogelgezwitscher und allerlei Naturgeräuschen unterlegt. Der räumliche Klang ist groß und weit, die akustischen, klassischen Instrumente haben erhabenen, weiten Klang, die Harmonien sind elegant. Schwärmerische, verträumte Motive und forsche, geradezu lustige Stücke halten sich die Waage. Der Einsatz der Perkussion ist marginal, und wenn, dann dezent eingesetzt, stört mit Folklore-Flair dennoch. Neben 18 weitgehend kurzen Stücken, die lieblich und sanft verstreichen, ist die "Suite r-moll" mit ihren fast 14 Minuten das Zentrum der Aufnahmen, ein melancholisches Stück, das allein von der barocken Lute intoniert wird. Vielleicht fällt nur mit dem in vier Stücken zu hörenden Gesang auf, dass hier keine Europäerin singt, die Wortbildung klingt etwas fremd, doch das festzustellen, bedarf es einiger Konzentration. "Ancient Stone" ist ein stilles, sanftes Album, das erstaunlich vertraut klingt und einige wenige bekannte Stücke präsentiert (so etwa eine interessante Version von "Greensleeves" unter dem Namen "What child is this?"). Die CD passt perfekt in die wachsende Retro-Mittelalter-Jahrmarkts- und Festivalkultur, wo sie den strengen und devoten Original-Jüngern die ganze Erfüllung sein wird.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2007