CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)
P.V.T.V. - Wing-chester
(49:16, Still, 2007)
Pierre Verloesem (performing) und Teun Verbruggen (drumming) haben gemeinsam ein Album eingespielt. Das Werk zu erklären, muss die Sichtweise orientiert werden. Aus Teun Verbruggens Sicht: der extravagante, abstrakte TripHop-/Rock-/Avant/Pop-Rhythmen entwerfende Schlagzeuger hat sich mit einem Soundspezialisten zusammengetan, der sich allerlei flippiges Zeug ausgedacht hat, Gitarre, Computer und Keys bedient und dabei bewusst auf verfremdete Klänge setzt. Aus Pierre Vervloesems Sicht: der Meister der reichlich schrägen, ausgefallenen Gitarrensounds und -harmonien hat sich einen auffallend lauten Begleiter gewählt, der selbstbewusst und melodisch betont die flott poppige Songstruktur bestimmt. Die 13 Stücke, die etwa "100" oder "70 bis" heißen, sind voll verfremdeter, bearbeiteter Samples. Die Songs würden fast schon in der Tanzmusik funktionieren, wenn die melodische Arbeit nicht so extrem abstrakt und eigenwillig wäre. Zudem hacken die Rhythmen immer wieder, brechen aus der Spur. "Songs" kann man die Tracks eigentlich weniger nennen, die rein instrumentalen Stücke sind düster und bedrohlich, aber auch schon mal recht flott und in aller harmonischen Schräglage dezent poporientiert. Gitarren- und Basssoli sind nicht unbedingt als solche zu erkennen, verkrümeln sich in der rhythmischen Struktur, um unwillkürlich und ungeahnt wieder aufzutauchen, dabei kann es, typisch Pierre Vervloesem, ordentlich heavy und virtuos zur Sache gehen, wenn die Soli soundtechnisch auch "hinter" die Rhythmusstruktur ins Off sortiert, will sagen, gemixt wurden. Die melodische Arbeit wird zudem von allerlei Computersounds entworfen, atonale Klänge und harmonische Strukturen sind dabei nicht besonders schwer nachzuvollziehen und erstaunlich eingängig - für solcherlei Klänge gewöhnte Fans abstrakter und Mainstream-weit-entfernter Klänge. Pierre Vervloesem ist ein Garant für ausgefallene Ideen und neuartige Musik. Sein bitterfestes Motto ist: never the same album again. Der Wechsel ist die feste Größe. Auch Teun Verbruggen kann auf eine grandiose Diskographie verweisen, vor allem seine Mitarbeit bei Flat Earth Society spricht für ihn, daneben hat er reichlich in Avantgarde, Jazz und Rock gerührt. Bleibt, ein ungewöhnliches Avantrock Album zu empfehlen, das mit jedem Track erneut verblüfft und überrascht. Tipp!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2007