CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)
Neverness - Cuentos de otros mundos posibles
(53:51, Musea, 2007)
Keine Ahnung, woher sich die Promofritzen manches Mal ihre Infos holen, aber entweder habe ich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte total verpennt oder meine Ohren ticken eben anders. Denn bei der spanischen Formation Neverness werden als etwaige Vergleiche King Crimson und Deep Purple aus dem Hut gezaubert, mit denen die Band nun wirklich rein gar keine Gemeinsamkeiten hat. Oder ist man schon crimsonesk, wenn man längere Intros bzw. ganz leicht sperrige Passagen bevorzugt, wähnt man sich im Fahrwasser von Deep Purple, wenn hier und da mal etwas Orgel erklingt? Ich weiß nicht, ich weiß nicht... Deswegen nun der eigene Versuch, die Musik von Neverness einigermaßen kompetent zu umschreiben. Grundsätzlich ist die Band vom stilistischen Ansatz in der Retro Prog Schiene verwurzelt, es gelingt ihr aber mit aktuelleren Sounds (vor allen bei den Keyboards) und einem Hang zu sachter, leicht neo-progressiver Gitarrenmelodik und atmosphärischen Läufen durchaus frische, neue Töne einzuweben. Ab und zu sorgt etwas spanischsprachiger Gesang für landestypischen Einschlag, ansonsten vertraut die Band vor allem auf einen Mix aus sphärischen, stimmungsschaffenden Parts und einer moderaten, härteren Gangart. Oder um es ganz schlicht auf den Punkt zu bringen: die Interpretation von Neverness ist ordentlich und gefällig, verzichtet dabei aber auf nicht vorhersehbare Überraschungen oder außerordentliche Einfälle bzw. inhaltliche Wechsel. "Cuentos de otros mundos posibles" bietet somit ganz schlicht und einfach bodenständigen, hauptsächlich instrumentalen Retro Prog in leicht modernisierter soundtechnischer Ausprägung. Wer auf diese Stilrichtung steht, darf hier ruhig mal ein Ohr riskieren, ansonsten wird es für Neverness aufgrund der Konkurrenz wohl eher schwer werden, einen größeren Eindruck zu hinterlassen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2007