CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)
Phil Miller / In Cahoots - Conspiracy theories
(70:49, Moonjune Records, 2007)
Der Gitarrist Phil Miller ist ein musikalisches Urgestein der "Canterbury Szene" (auch wenn einige Musiker die Existenz einer solchen par tu leugnen ...) Was genau unter dem Begriff Canterbury zu verstehen ist, darüber ist schon viel geschrieben worden. Für mich ist der Begriff "Canterbury" untrennbar mit einer überschaubaren Anzahl exzellenter Musiker verbunden, die eine fast unüberschaubare Menge Bandprojekte gegründet haben. Millers musikalische Vergangenheit ist verbunden mit so namhaften Gruppen wie Hatfield & The North, Matching Mole und National Health. Drei Jahre sind vergangen seit Phil Millers letzter In Cahoots Veröffentlichung ("All that", Cuneiform). Bis auf die Bläser-Sektion ist das Band Line-Up unverändert geblieben (Pete Lemer / Keyboards, Fred Baker / Bass, Mark Fletcher / Drums). Leider verstarb Saxophonist Elton Dean viel zu früh, Das Tenor Saxophon übernimmt Simon Picard. Trompeter Jim Dvorak wurde durch Simon Finch ersetzt. Auch wenn werbewirksam auf dem CD-Cover jede Menge hochkarätige Gastmusiker auftauchen, deren Beitrag ist leider doch eher gering. Kleine Auswahl: Richard Sinclair / Bass, Dave Steward / "Tuned Percussion" und Barbara Gaskin / Gesang. Leider nur auf je einem Song. Einzige Ausnahme: Didier Malherb / Sopran Saxophon, Flöte, Doudouk, Okarina taucht immerhin auf sieben von neun Songs auf. Da bis zu vier Musiker Blasinstrumente spielen, muss man dafür schon ein Faible mitbringen, um diese Musik genießen zu können. Stilistisch erinnert wenig an den typischen Canterbury Sound der frühen Jahre. Dieser ist einem cleveren Jazz Rock / Fusion Sound gewichen. Dabei vermeidet die Band süßliche Melodien und spielt gekonnt zumeist anspruchsvolle Kompositionen, die dem Jazz wesentlich näher stehen, als dem Rock. Improvisierte Parts gibt es praktisch nicht, alle Songs sind durchkomponiert und stets nachvollziehbar. Beim Song "Orinaca" taucht, dank eines hübschen Solos von Malherb auf der Okarina, ein bisschen von der humorigen Seite des Canterbury auf. Ansonsten ein typisches Jazz Album britischer Prägung für Fans dieses Genres. Phil Miller ist ein Bandleader, der sich sehr zurücknimmt, stattdessen seinen Mitspielern viel Raum für Solistische Ausflüge bietet. Neben den dominierenden Bläsern ist es oft auch der Bassist, der angenehm im Vordergrund steht. Die Keyboards beschränken sich zumeist auf Piano bzw. E-Piano Klänge. Letztere stören mich ein wenig, da sie arg nach digitalem Keyboard klingen. Toll finde ich ein Solo Malherbs auf der Doudouk. Die Doudouk ist ein Armenisches Blasinstrument, das einen klagenden, melancholischen Klang hat. Der Song "Flashpoint" erhält dadurch einen östlichen Anstrich. Leicht funkige Stücke ("Conspiracy theories") und eher getragene Melodien ("End of the line") wechseln sich ab, eine schöne, durchaus jazzübliche Mischung. Für die Hifi-Freaks noch ein Wort zum Sound: Der Tontechniker legt keinen Wert darauf, auch noch das letzte Detail überanalytisch auszuleuchten. Die Aufnahmen klingt stattdessen sehr rund, angenehm und Stressfrei. Wer einen Hang zum Jazz hat oder so wie ich, praktisch willenlos, alles sammelt was aus dem Canterbury-Umfeld kommt, könnte an dieser Aufnahme seine Freude haben.
Andreas Kipp
© Progressive Newsletter 2007