CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)
Hamadryad - Live in France 2006
(77:09, Unicorn Digital, 2007)
Ein Livealbum nach gerade mal zwei Studioalben und dann auch noch mit Versionen, die sich instrumental nicht so großartig von den Originalen unterscheiden, macht so etwas Sinn? Jein. Denn neben den gerade angeführten Einwänden verleiht Sänger / Bassist Jean-François Désilets den nicht von ihm im Original eingesungenen Songs vom hervorragenden Erstlingswerk "Conservation of mass" durchaus neue Facetten und bekommt man weiterhin einen guten Querschnitt aus beiden bisher erschienen Alben geboten. Letztendlich war es für die franco-kanadische Band ebenfalls der erste Ausflug nach Europa, wo man auf dem Crescendo Festival in Südfrankreich auftreten durfte. So gibt es von der instrumentalen Seite absolut nichts zu meckern, denn das Quartett aus Nordamerika acht seine Sache richtig gut, spielt begeisternd und mitreißend und schafft es, auch komplexere Passagen locker und rhythmisch ausgefeilt auf der Bühne zu präsentieren. Ob nun kernige Riffs bzw. gefühlvolle Gitarrenfiguren oder schwungvolle Keyboardläufe, der Ausflug in die 70er angereichert durch moderate moderne Elemente, funktioniert prächtig und bietet alles, was man von einer versierten Band des keinesfalls plakativen Retro Progs erwarten darf. Doch dummerweise kommt jetzt das große Aber. Der bereits oben erwähnte Jean-François Désilets gibt sich als Bassist kernig groovend und fingerfertig souverän, als Mann hinter dem Mikrofon sorgt er jedoch vermehrt für einige Kopf- bzw. Ohrenschmerzen. Während sein stellenweise an Peter Gabriel erinnerndes Organ auf dem letzten Studioalbum "Safe in conformity" ordentlich bis gut zur Musik funktionierte, säuft er live stimmlich leider mehrfach ganz böse ab und macht doch somit einiges der Qualität von Hamadryad wieder kaputt. Da will einfach nicht mehr jeder Ton passen und vor allem zum Ende des Konzertes scheint er stimmlich ebenfalls wirklich nahe dem Ende zu sein. So ist "Live in France 2006" instrumental betrachtet ein absolutes Erlebnis, zusammen mit dem "absaufenden" Gesang aber wohl mehr ein Erinnerungsstück für die Band, die anwesenden Zuschauer und die absoluten Fans von Hamadryad. Vor allem am Mikrofon ist eine erhebliche Steigerung nötig, um beim nächsten Versuch wieder auf kompletter Linie überzeugen zu können und zur Stärke von "Conservation of mass" zurückzukehren.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2007