CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)

Elton Dean & The Wrong Object - The unbelievable truth
(68:19, Moonjune Records, 2007)

Am 18. Oktober 2005 fand ein denkwürdiges Konzert im Glaz'Art Paris statt. Es sollte einer der letzten Auftritte Elton Deans werden. Nach 40 Jahren bewegten Musikerlebens (unter anderem mit Soft Machine und deren unzähligen Ablegern) hatte er ein spielerisches Können erreicht, das ihn in die erste Liga der weltbesten Saxophonisten katapultierte. Sein überraschender Tod wenige Monate später beendete eine viel versprechende Zusammenarbeit mit der belgischen Formation The Wrong Objects. Gemeinsam zelebrierten sie einen Abend voller improvisierter, jazziger und teilweise abgedrehter Musik, die keine Barrieren kennt. Schier unglaublich, dass Elton Dean und The Wrong Object hier zum ersten Mal gemeinsam musizierten! Zuvor hatten sie die Stücke quasi als "Trockenschwimmer" unabhängig von einander geprobt. Zeit für einen Soundcheck hatten sie kaum, weil der Bandbus auf dem Weg zum Auftritt leider den Geist aufgab. Wenn eine Band, so fast ohne Vorbereitung auf die Bühne geworfen wird, kann etwas ganz Besonderes entstehen. Das ist bei diesem Live-Album der Fall. Aus dem umfangreichen Repertoire Deans stammen die Stücke "Seven for Lee", "Baker's treat" und "The Basho variations". Das restliche Material steuerten The Wrong Object bei. Gitarrist Michel Delville scheint der Hauptkomponist der Band zu sein, drei von vier Stücken stammen von ihm. Neben Dean gibt es mit Fred Delplancq (Tenor Saxophon) und Jean-Paul Estiévenart (Trompete) eine ausgeprägte Bläser-Sektion. Laurent Delchambre (Drums) und Damien Polard (Bass) bilden eine dynamische Rhythmus-Gruppe, die das Grundgerüst für die ausgedehnten Solos und Improvisationen der Bandkollegen bildet. Diese, von Zappa und Soft Machine inspirierte Band, passt ausgezeichnet zu Elton Deans Stil. Egal ob die Band melancholischen Jazz spielt ("Baker's treat"), improvisierten Avant/Jazzrock mit gnadenlos verzerrtem Bass anstimmt ("The unbelievable truth") oder sich Zappa-eske Klänge mit dem frühen John Coltrane auf "A cannery catostrophe" verbinden - die Musiker zeigen hohes Können. Der Live-Sound ist klangtechnisch gut eingefangen, sehr direkt und anspringend, auch wenn keinerlei Publikumsgeräusche zu hören sind. Es muss nicht besonders erwähnt werden, dass das bei Leibe kein einfaches Album ist! Man sollte der Musik Zeit geben und sich auf die jazzigen Exkursionen der Musiker einlassen - dann zündet sie doch. Wie bei mir vielleicht erst beim zweiten Hören, oder dritten oder...

Andreas Kipp



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