CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)
Alex Carpani - Waterline
(52:43, Cypher Arts, 2007)
Das digitale Zeitalter macht einiges möglich. "Waterline" entstand bereits 2003 in dreiwöchiger Arbeit im heimischen Studio, in einer Phase, als Projekt-Mastermind Alex Carpani durch eine ernsthafte Knöchelfraktur gezwungen war, sich möglichst wenig zu bewegen. Inspiriert durch die dünne Linie, mit der die Wasseroberfläche oberhalb Bekanntes offenbart, jedoch unterhalb Unbekanntes verbirgt, schuf er ein auf dieser Idee aufbauendes Konzeptalbum. Mit vierjährigem Zeitversatz legt nun das amerikanische Label Cypher Arts dieses Album auf. Ursprünglich als reines Instrumentalalbum angelegt, konnte der in Montreux geborene, mittlerweile jedoch in Bologna lebende Alex Carpani, Le Orme Frontmann Aldo Tagliapietra für diverse Gesangsparts gewinnen. Weiterhin steuern diverse amerikanische Prog Musiker ihren Beitrag bei, u.a. Tony Spada (ex-Holding Pattern), Dan Saphiro (Clearlight), sowie Ken Jaquess (K2). Somit entstand rein virtuell eine recht interessante italienisch-amerikanische Co-Produktion, für die zu guter letzt auch noch Paul Whitehead das Artwork lieferte. Dieser war ja bekanntermaßen bereits in den 70ern für Alben von Genesis und Van der Graaf Generator tätig, aber ebenso bei den letzten Veröffentlichungen von Le Orme. Durch die transkontinentale Verbindung und natürlich auch die Herkunft der Musiker entsteht ein Mix aus mediterraner, sinfonischer Leichtigkeit und der unterschwelligen Melancholie des Italo Progs, während instrumental meist amerikanische Retro Prog Präzision vorherrscht. Vor allem durch gelegentliche Hinzunahme von Flöte und Saxophon wird das klassische Rockinstrumentarium wunderbar aufgelockert. Besonders die diversen Gitarristen setzen solistische Schwerpunkte, während sich Initiator Carpani an den Keyboards eher zurückhält, mehr die sachte, songdienliche Untermalung bevorzugt. Über weite Strecken entsteht somit verspielter, aber durchaus ansprechender Retro Prog mit deutlich italienischer Schlagseite und kleineren Jazz Rock Farbtupfern. Es sollen jedoch zwei kleinere Schwachpunkte dieses Album nicht verschwiegen werden. Mitunter wirkt die Intonation von Aldo Tagliapietra etwas zittrig und unsicher, was angesichts seiner Vita und Erfahrung dann doch verwundert. Zudem benötigt das Album etwas an Spielzeit, um den rechten inhaltlichen Schwung zu finden. So wirkt der Beginn noch zu verhalten und es finden sich im instrumentalen Bereich auch einige Passagen, die zu arg nach musikalischer Reißbrettkonstruktion klingen. Diese Schwächen sind aber durchaus akzeptabel und fallen keineswegs so aus, dass sie den musikalischen Genuss schwerwiegend trüben können. Somit ist "Waterline" ein entdeckenswertes Kleinod für Freunde der italienischen Spielart des Progressive Rock, das trotz der zeitlichen Veröffentlichungs-Verspätung nichts von seiner inhaltlichen Kraft verloren hat.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2007