CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)

Amarok - Sol de Medianoche
(64:59, ProgRock Records, 2007)

Schön, wenn man auf "alte Bekannte" trifft. Über die Jahre verstreut fanden die aus Nordspanien kommenden Amarok immer wieder Einzug in den Progressive Newsletter. Auch wenn die Band seit jeher auf begabte Musiker vertrauen konnte, blieb der große Wurf leider bisher aus. Deswegen wundert es auch nur wenig, dass die seit 1990 bestehende Band mittlerweile mit ProgRock Records wiederum einen anderen Vertragspartner für ihre Veröffentlichungen gefunden hat. Die Qualität auf "Sol de Medianoche" (=Mitternachtssonne) bewegt sich auf gewohnt hohem Level, denn geschickt werden hier mediterrane, wie auch orientalische Einflüsse weltmusikalisch in den verspielten Progressive Rock der katalonischen Band verwoben. In den Klängen spiegelt sich sowohl die wechselvolle Geschichte Spaniens der letzten Jahrhunderte wider, als man unter arabischen Einfluss geriet, aber genauso in Katalonien seine kulturelle und sprachliche Unabhängigkeit bewahrte. Amarok sind keine Ausgeflippten, sondern ihr spielerisches Können offenbart sich ausschließlich in den wohl durchdachten Zwischentönen, dem verspielten, fast schon kammermusikalischen Miteinander der unterschiedlichen Kulturkreise. Zwar verzichtet man auf die expressive Note des Flamenco Progs - auch wenn Sängerin Marta Segura durchaus über ein prägnantes Organ verfügt - dafür hört sich vieles wie die zeitgemäße Vertonung von "Geschichten aus 1001 Nacht" an. Nicht von ungefähr diente u.a. diese Geschichtensammlung auch als lyrische Grundlage für die Texte. Instrumental bringen Amarok jede Menge akustische Instrumente (u.a. Flöte, Saz, Zither), wie auch Blasinstrumente (Saxophon, Trompete) ein, was für ein sehr breit gefächertes und ansprechendes Klangspektrum sorgt. Die Musik ist gleichzeitig verspielt und unterschwellig in bester 70s Progressive Rock Tradition gehalten, bleibt jedoch eher aufdringlich. Auch die vielen Merkmale aus anderen Kulturkreisen sorgen für jede Menge Abwechslung. Dass die Band nicht nur bestens ihr originäres Material interpretieren kann, beweist die ethnisch angehauchte Coverversion von ELPs "Abaddon's Bolero", die nur sehr wenig mit dem Original gemeinsam hat. Somit ein überaus gelungener weltmusikalischer Progtrip abseits aller trendigen Neo und Retro Prog Jetsetter.

Kristian Selm



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