CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)
Von Frickle - Mission 4.9
(50:25, OIE Records, 2003/5)
Von Frickle - Arrhythmia
(52:03, OIE Records, 2006)
Mit Bedacht gesetzte Brutalattacken, kraftvoll dynamische Rocker, sphärisch aggressive Lyrik-Symphonien, vertrackte (um nicht zu sagen: verfrickelte) Rhythmuskomplexe, episch offene, weitschweifige Motive, zarte Verspieltheiten, schwerer, harter, knochentrockener und dabei humorvoller Rock, elektronische Atonalitäten und abstrakte, seltsame Melodien - von Frickle aus Eureka, Illinois, USA, die Band benennt sich nach dem großartigen (wie es auf der Webseite heißt) Onkel Baron Fredrick von Frickle, ist eine instrumentale Truppe, die sich nie hinter einen Sänger stellen wird, weil dann ihre abgefahrenen Wahnsinnsideen im liedhaften Songkontext untergehen. Gut gesagt! Das Quartett Lee Fehr (g, g-synth, key), John Ganser (dr, electr-perc, moog, keys), Dan Meyer (b, b-synth, key, ce, tu - für Tim Pierson, der bis Album Nummer 8 (!), "Mission 4.9", die Untiefen mit dem Bass auslotete) und Ken Thornton (lead-g, g-synth, key, add-dr) sind wahrhaft nicht mit anderen Truppen zu vergleichen, und angenehmer Weise auch stilistisch nicht einfach so in eine Schublade zu stecken, die man schnell wieder zumachen und das Dings namens Musik darin begraben kann. Von Frickle verbinden in ihren obskuren Werken vielfältige Stilistika und mixen daraus ihren ganz eigenen, eklektischen Frickle-Sound, der Inspiration von Frank Zappa, King Crimson, (frühen) Pink Floyd, Residents und 70er Jahre Jazz enthält. Mancher der Songs auf den beiden vorliegenden Alben ist ziemlich "normal". Die kürzeren Stücke sind knackfrische Rocker, die dynamisch vorantreiben und auf ihrem kurzen Weg allerlei schwere Brüche verursachen. Doch jeder Song, jeder, nimmt sich die Freiheit, aus den "normalen" Stapfen herauszutreten und sich ein kleines Extravagänzchen zu gönnen. Das sind meistens total abgefahrene, erheblich schräge und harmonisch eigenwillige Sachen, die in ersterLinie von den Residents inspiriert scheinen. Alles zusammen ist in den harten Rock eingewoben, was grandios klingt und stürmisch mitreißt. Andere Songs, die nicht nur schwerer Rock sind, aus episch-melancholischen Motiven leben und diese weit in instrumentale Schrägheiten katapultieren, zeigen mehr von den hinreißenden Rhythmusbrüchen. Das Quartett spielt außerordentlich dynamisch, versteht es, Sturm und Ruhe exzellent ineinander übergehen zu lassen und die entspannte Weite der sphärischen Harmonien intensiv auszukosten. Völlig unverständlich, warum Von Frickle nicht längst ein bekanntes Highlight in der Szene sind, möglicher Weise hat die Band ihre Spezialitäten erst mit den Alben entwickelt. So ist auf "Mission 4.9" auch längst nicht die motivische Frische und überzeugende Schräglage erreicht, wobei sich, um es nur zu erwähnen, das Album keineswegs vor dem anderen verstecken muss, justament jedoch noch nicht die Reife besitzt, wie das jüngste Werk "Arrhythmia". Angenehmer Weise gibt es nicht den heute typischen Progressive Rock auf die Ohren, hier sind Überraschungen und Ungewohntes zu Hause. Schon seltsam, wie Sounds von frühen Pink Floyd Songs im Residents Kleid, oder wie crimsoneske Heavyness mit elektronischen Klängen ummantelt klingt. Scheint ein Knüller zu sein - und macht, weil die Band jede Menge schrägen instrumentalen Humor eingebaut hat, enorm Spaß. Zudem - der große Unterhaltungswert ist nicht leicht eingängig und lässt bei erneutem Hören neue Vertracktheiten entdecken. Kann ich nur unbedingt empfehlen!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2007