CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)
Starcastle - Song of times
(57:19, ProgRock Records, 2007)
Starcastle als die amerikanische Antwort auf Yes hatten es auf ihren Alben in den Siebzigern stets verstanden, den verspielten Artrock ihres Vorbildes mit griffigen Songstrukturen im typischen AOR- bzw. Mainstreamrockstil zu verknüpfen. Verschnörkelte Gitarreneinsätze, eine kraftvolle Rhythmussektion und glockenhelle Gesangsharmonien standen hier stets mit griffigen Melodiebögen im amerikanischen US-Mainstreamsound im Einklang. Somit klangen Starcastle auf ihren Alben in etwa wie eine Mischung aus Yes und Styx. Über ein viertel Jahrhundert nach ihrem doch enttäuschenden letzten Album "Real To Reel" meldet sich die Band 2007 mit ihrem Comebackalbum "Song Of Times" zurück und knüpft direkt an die Tugenden der 70er Jahre an, was im schmissigen Opener "Red Season" schon in lebhafter Rhythmik unter Beweis gestellt wird. Leichtfüßige Gesangsharmonien im yessig getränkten Melodic Gewand lassen eingängige US-Rock-Tugenden mit der britischen Kunstrocktradition verschmelzen. Der Bass von Gary Strater ist allgegenwärtig und sorgt für ein überaus präzises Rhythmusgerüst. Leider ist der Mann an den wuchtigen vier Saiten während der Aufnahme des Albums im Jahr 2004 im Alter von 51 Jahren an einer heimtückischen Krankheit gestorben. Im nachfolgenden "Babylon" läuft der glockenklare Gesang von Neuzugang Al Lewis zur Hochform auf und steht seinem Vorgänger Terry Luttrell in nichts nach. Neben der bereits erwähnten Rhythmusfraktion um Gary Strater sind mit Gitarrist Matt Stewart und Keyboarder Herb Schildt auch weitere Originalmitglieder an Bord. Der frühere Sänger von Starcastle hat im Titel "All For The Thunder" einen bemerkenswerten Gastauftritt und lässt gerade diese Nummer wie ein verschollenes Relikt aus den Siebzigern erscheinen. Der zweite Gitarrist der Formation aus den 70er Jahren Steve Hagler hat ebenfalls einen Gastauftritt, so dass neben diversen zusätzlichen "Session-Musikern" die gesamte damalige Bandbesetzung mit von der Partie ist. Der orchestrale Schönklang der Ballade "Song Of Times" und der quirlige Uptempo-Schwulst von "Islands" sind willkommene Elemente des von den Amerikanern praktizierten Mainstream Progrocks, der sich in harmonieverliebten Melodien weidet. Im Song "Love Is The Only Place" klingen aber auch bei solch einem erfreulichen und frischen Comeback die negativen Auswüchse des stromlinienförmigen US-Maintreams hervor, was mit einem abgedroschenen Refrain die Qualitätskurve nach unten sinken lässt. Stilistisch ist die Melodic-Progressive-Mixtur mit dem dritten Starcastle-Album "Citadel" vergleichbar, was sich in einer doch nicht zu verleugnenden Mainstreamdominanz bemerkbar macht. Als Entwarnung muss erwähnt werden, dass Starcastle auf ihrem Comeback insgesamt doch authentischer und verspielter als Yes auf vielen ihrer Alben aus den 90er Jahre klingen. Die sprudelnde Agilität und Frische der früheren Zeit wird aber trotz aller positiven Vorzüge dieses Reunionalbums nicht erreicht. Nach 30 Jahren kann man zwar das Rad der Zeit zurückdrehen, was aber nicht direkt das Betreten einer Zeitmaschine bedeutet. Oft kommt diese Neuversion des Sternenschloss der alten Herrlichkeit sehr nahe, was die Melodic-Progrocker schon in Verzückung bringen sollte.
Horst Straske
© Progressive Newsletter 2007