CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)

Refugee - Live in Concert / Newcastle City Hall 1974
(64:19, Voiceprint, 2007)

Es ist doch immer wieder erstaunlich, welche Schätze seit Jahrzehnten in den Archiven schlummern. Zwar existierten Refugee lediglich für ein Album, doch die Band um die beiden ex-The Nice Mitglieder Lee Jackson (Bass, Vocals) und Brian Davison (Schlagzeug), sowie Patrick Moraz (Keyboards, kurz danach bei Yes und später bei The Moody Blues tätig), lieferte mit ihrem Debüt ein echtes Juwel des 70s Progressive Rock ab. Nun hat Voiceprint eines der Refugee Konzerte aus dem Jahr 1974 ausgegraben, das eben nicht nur fast das komplette Debütalbum enthält, sondern zudem unveröffentlichtes, wie auch The Nice Material präsentiert. Bei Veröffentlichungen von Voiceprint ist ja immer etwas Vorsicht geboten, da bereits in der Vergangenheit einiges an dubiosen, klanglich minderwertigen Outputs lieblos auf dem Markt geschmissen wurde. Doch dieses Livedokument hält (fast) alles, was es verspricht. Das Booklet enthält jede Menge unveröffentlichte Bilder und ebenso eine ausführliche Biografie der Band. Okay, der Sound ist mitunter etwas nebulös und übersteuert, aber immer noch akzeptabel und aufgrund seines historischen Kontextes durchaus angemessen. Natürlich wäre es schöner, mehr klangliche Transparenz zu haben, jedoch handelt es sich hier nicht um einen Bootleg, sondern einen durchaus anhörenswerten Livemitschnitt vom Mischpult. Die Faszination dieses Mitschnitts liegt darin, dass Refugee zum einen live eben nicht nur eine 1:1 Kopie ihrer Studioversionen bieten, und dass vor allem Patrick Moraz sein eindrucksvolles Können an Orgel, Mellotron und Synthies abliefert (besonders grandios im Longtrack "Grand Canyon Suite"). Klar, ist der Gesang von Lee Jackson gewöhnungsbedürftig und in seiner Intonation sicherlich nicht nach jedermanns Geschmack, doch was das Trio instrumental abliefert, ist eindeutig 70er Jahre Progressive Rock auf seinem Zenit. Bombast, instrumentale und kompositorische Virtuosität, ausgiebige Improvisationen, klassische Einflüsse - alles da, was diesen Stil zu jener Zeit auszeichnete. Natürlich liegt im soundtechnischen Bereich das Studioalbum klar vorne, doch dieses Livedokument lebt, atmet, hat die ungezügelte Power der klassischen Prog-Dreierbesetzung. Wirklich wunderbar, dass dieses Kleinod doch noch ausgegraben wurde!

Kristian Selm



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