CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)
Le Silo - 3.27830
(53:45, Arcengelo / Disk Union, 2007)
Le Silo, die zweite. Der fröhliche Irrsinn findet in 12 neuen Stücken die gleiche Expressivität wie auf dem Erstwerk, wenn die instrumentalen Stücke (mit partiell lautmalerischem Gesang) auch nicht von der überdurchschnittlichen Komplexität scheinen, hat sich doch eine, mit Verlaub, abgedrehte Verrücktheit eingeschlichen, die auf Album Nummer 1 noch nicht in der ganzen Schönheit und Größe ausgebreitet zu finden war. Yoshiharu Izutsu (g, voice), Michiaki Suganuma (dr, voice) und Miyako Kanazawa (p, voice) machen da weiter, wo "8.8" aufhört, dieses Mal ohne Unterstützung von Ruinenchef Tatsuya Yoshida. Ganz in Eigenregie übt das technisch versierte, virtuose Trio die wilde, ungestüme Einspielung seiner Radikalepen aus. Der harte Tastenanschlag Miyako Kanazawas hat eine gewisse Verwandtschaft zu dem der Jazzpianistin Satoko Fuji, zudem hat sie den gleichen "schrägen" melodischen Sinn, der gern neben die weichen Harmonien haut und damit reichlich abstrakte, kernige und in aller Expressivität erstaunlich eingängige und mitreißende Songs schafft. Gitarrist Yoshiharu Izutsu braucht ein gesundes Selbstbewusstsein und gehörig Temperament, mit seiner Begleiterin mitzuhalten. Seine expressiven Soli sind bravourös; wenn das Trio in zerstörerischer Freude gemeinsam die melodischen Formen angeht, wirkt sein Beitrag auch schon mal etwas hilflos, weil er nicht die überbordende Phantasie seiner Pianokollegin hat, zumeist jedoch reißt sein Kriegerblut ihn zu radikalen Heldentaten hin. Schlagzeuger Michiaki Suganuma weiß technische Rhythmen hart und heavy zu schlagen, mischt ebenso aber auch melodisch mit und "kümmert" sich wie seine Begleiter um die möglichst extreme, wilde und ausgeflippte Gestaltung der Songs. Die Songs 5 und 12 sind Bandimprovisationen, das Trio spielt, was es will, Hauptsache, es passt nicht zusammen. Free Rock ist das Ergebnis, laut, schrill, schräg, macht Spaß, zuzuhören. Dafür ganz ohne Sinn und Bedeutung. Überhaupt ist "3.27830" - was mag der Albumtitel nur dieses Mal bedeuten? - ein sehr unterhaltsames Werk, wenn man auch, das sei erwähnt, genug Mut und Nerven braucht, der forschen Kracheinheit zu lauschen. Doch trotz aller Härte und abstrakten Disharmonie, aller rhythmischen Zersplitterung und radikaler und bisweilen atonaler Schräglage ist Le Silos 2. CD verblüffend eingängig, wenig düster, eher heiter, und von einer Komik, die das ganz Besondere progressiver Rockmusik ist (hier versteht sich "progressiv" als Gegensatz zu "konservativ" - was wohl auch herkömmlich zu nennen wäre). Das 10. Stück, mit seinen 9 Minuten der längste Track auf der CD, lädt zu entspanntem Genuss ein. Das baut Nerven auf, hat hinreißend Inhalt und Form und ist dem sich anschließenden vorletzten Track der perfekte Startplatz, weil da, nach einem einminütigen Gespräch, wieder die Löffel verbogen werden. Diese Band ist die Zukunft. Pflichtteil!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2007